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Ausgabe 21a

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Erziehungserlebnis
Seitdem ich neulich dieses Erlebnis mit meinem Vater hatte, setze ich
mich noch mehr für die Gleichberechtigung zwischen den Generationen
ein.
Alles geschah an einem Montag. Es war Ende Juli. Mit den NATRAS, die
seit einer Woche in Berlin waren, verstand ich mich, soweit wir uns miteinander
verständigen konnten, super. Der Tag verstrich und gegen abend beschlossen
wir alle - K.R.Ä.T.Z.Ä. und NATRAS - auf den Kreuzberg zu gehen.
Natürlich wollte ich mit. Allerdings muß ich um acht zu Hause
sein... Der Treffpunkt auf dem Kreuzberg war um halb neun. Also griff ich
zum Telefon und rief meinen Vater an. Nach einigem Betteln, hatte ich dann
die Erlaubnis, mit auf den Kreuzberg zu gehen. Aber nur bis 22 Uhr. Das
Gespräch wurde mit folgendem Satz beendet: "Wenn du nicht rechtzeitig
zu Hause bist, verhaue ich dich nach Strich und Faden!!!"
Allein diese Drohung hat gereicht, um mich so einzuschüchtern,
daß ich mich der Forderung meines Vaters nicht wiedersetzte. Und
das bedeutete, daß ich doch nicht mitgehen konnte, da ich es bis
10 Uhr nicht hin und zurück geschafft hätte. Als ich dreiviertel
neun nach Hause kam, hatte mein Vater einen zufriedenen Gesichtsausdruck.
Er hatte erreicht, was er wollte. Der Verlierer war ich.
Geschichten wie diese gibt es in fast jeder Familie. Nicht selten werden
die von den Eltern gestellten Drohungen auch wahr gemacht. Deswegen denke
ich, daß jegliche körperliche Bestrafung von Kindern gesetzlich
verboten gehört...
anonym
Kommentar
Konflikte wie das Nach-Hause-Kommen tauchen überall dort auf, wo
man davon ausgeht, daß Kinder aufgezwungene Regeln und Werte "brauchen"
oder genauer: daß sie zu ihrem Glück notfalls auch gezwungen
werden müssen. Diese vollkommen undemokratische Haltung teilt die
Mehrheit aller Eltern und setzt Ver- und Gebote per Drohung/Gewaltanwendung
durch. Um Situationen wie die von XXX zu verhindern, reicht es jedoch nicht,
das Recht auf körperliche Unversehrtheit durchzusetzen, also das elterliche
Recht zur Züchtigung gesetzlich zu verbieten. Kinder müssen das
Recht haben, auszuziehen und sie müssen finanziell unabhängig
sein. Nur im Kontext einer Gleichberechtigung ohne Altersgrenzen auf gesellschaftlichem
Niveau kann man gegen Besitzansprüche an andere Menschen - Kinder
wie Erwachsene - systematisch und sinnvoll vorgehen.
Julia Franz
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