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Ausgabe 21

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Noch einmal NICARAGUA
"Du hast’s gut", sagte ich zu Christoph irgendwann im Januar, als er
erwähnte, daß er im März wieder für einige Wochen
nach Nicaragua fahren würde, um den Rückaustausch vorzubereiten;
und er erwiderte:"Komm doch mit!" Was im ersten Moment noch klang wie zu
schön, um wahr zu sein, stellte sich als eigentlich möglich heraus.
Schließlich hatten wir drei Wochen Osterferien, und meine Eltern
willigten ein, die nicht unbeträchtlichen Kosten der Reise zu tragen.
Nach wenigen Wochen waren wir eine erwartungsvolle Gruppe von fünf
Leuten, die mit den einzelnen Projekten der Kinderbewegung deren Aufenthalt
in Berlin in diesem Sommer planen wollten. Während Nicotapia wie ich
das Geld ohne große Probleme aufbringen konnte, mußten sich
Meggy und Jule nicht geringe Summen von Freunden leihen.
Ungefähr sechs Tage vor dem Abflugtermin stellte sich dann heraus,
daß Christoph aus persönlichen Gründen nicht mitfahren
konnte. Während einer Nacht dachte er sich ein ziemlich perfektes
Notlösungsprogramm für uns vier aus, welches während der
nächsten Tage gemeinsam ausgefeilt wurde. Unsere größten
Probleme waren, daß wir uns im Land relativ wenig auskannten, und
daß unser Spanisch nicht reichen würde, um Seminare zu veranstalten.
Als wir am 5. März losflogen, war ich sehr skeptisch, wie wir
das allein über die Bühne bringen würden. Es gab tausend
Unsicherheiten, trotz der Ermutigungen der Daheimgebliebenen, und wir hatten
noch keinen Übersetzer für die Seminare. Doch einen Tag später,
bei der Ankunft in der Hauptstadt Managua, waren alle Zweifel wie weggeblasen,
nun, da ich in der "anderen Welt" war, würde ich auch die Situation
meistern, dessen war ich mir sicher. Wir wohnten jeweils zu zweit bei den
Familien, die wir bereits von unserem ersten Besuch kannten. Wir bereiteten
uns auf das erste Seminar in Managua vor, bei dem wir zehn Projektkindern,
unter ihnen die drei Vertreter, die mit nach Berlin kommen werden, einen
Einblick in deutsche Lebenswelten geben wollten.
Für Jule, Meggy und mich war zumindest der Bezirk, in dem das
Projekthaus steht, schon ziemlich vertraut. Wir waren glücklich und
erstaunt, daß sich noch alle Menschen an uns erinnern konnten. Nico
hingegen, der das erste Mal dort war, wurde als absoluter Neuling gehandelt:
der geheimnisvolle Halbchilene, der kein Spanisch spricht und fast immer
grinst. Zudem mögen sich einige Nicas gewundert haben, daß er
der einzige Junge unter uns vieren war. Als wir mit den beiden für
den Austausch verantwortlichen Sozialarbeitern des Projektes in Managua
das erste Treffen planten, merkte ich, daß mit unserem bißchen
Spanisch doch vieles machbar war in diesem Land. Schließlich fanden
wir einen Tag vor dem Seminar eine Deutsche, die bereit war, uns als Übersetzerin
zu helfen. Diese interpretierte viel in die Bemerkungen der einzelnen Leute
hinein oder ließ etwas weg, selbst nach einem Hinweis unsererseits
schaffte sie es nicht, ganz sachlich zu übersetzen. Nach dem Seminar
klärten wir deswegen selber die wichtigsten unserer Anliegen mit zwei
Nicas, was möglich war (rein sprachtechnisch) und mir neuen Mut gab.
Dann fuhren wir nach Estelí, einer kleineren und saubereren
Stadt als Managua, ungefähr 100 km weiter nördlich. Dort war
noch niemand von uns vieren richtig gewesen, außerdem kannten wir
die Leute des dortigen Projektes INPRHU Estelí nicht. Bei unserer
Ankunft stellten wir fest, daß Christophs Finanzplan überholt
und unser Geld für die Seminare viel zu wenig war. Ich fühlte
mich ziemlich mutlos, als ich im Büro von INPRHU saß und verschiedene
Leute uns erklärten, daß die Preise um fast die Hälfte
gestiegen wären. Trotzdem funktionierte es. Juan Carlos, ein Mitarbeiter,
half uns intensiv bei der Vorbereitung der Seminare und wollte alles wahnsinnig
genau haben. Entsprechend gut verliefen auch die Seminare - das erste war
inhaltlich dasselbe wie das in Managua, diesmal für die Natras aus
Estelí, Somoto und Honduras. Am letzten Seminar nahmen alle Leute
teil, die im Sommer nach Berlin kamen. Es ging um die Koordination und
die Vorbereitungen der Projekte, in denen dann gearbeitet werden soll.
Wir waren ziemlich froh, als auch das letzte anstrengende Seminar geschafft
war.
Nun fuhren wir für zwei Tage wieder nach Managua, und danach an
den Pazifik in einen ziemlich abstoßenden Touristenort. Die letzten
Tage verbrachten wir wieder in der Hauptstadt. Wir kochten Abendessen für
die Familien, in denen wir gelebt hatten, und batikten T-Shirts für
die Projektkinder. Am 26. März flogen wir zurück nach Hause.
Ich empfinde die Reise jetzt, einige Monate später, als eine Zeit
des Ausnahmezustands. Wir vier hatten wahnsinnigen Streß, tausende
neuer Erlebnisse und einen absoluten Wandel in den Beziehungen zu uns und
anderen.
Julie
Gründe, warum die NATRAS nach
Deutschland kommen wollten
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als Vertreter der Projekte:
- ihr Projekt repräsentieren
- Austausch über Erfahrungen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede, gemeinsame Suche nach Lösungen
- ihre Arbeitserfahrungen erzählen
- neue Arbeits- und Kommunikationsformen kennenlernen
- neue Arbeitserfahrungen mitbringen
- ihre Probleme darstellen
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persönlich:
- Land, Kultur und Bräuche kennenlernen
- Erfahrungen mit anderen NATRAS und KRÄTZÄ-Leuten austauschen
- neue Erfahrungen, neue Freunde
- Schulen kennenlernen
- Häuser und Familien kennenlernen
- KRÄTZÄ-Leute wiedersehen
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K.R.Ä.T.Z.Ä. in Nicaragua - Über unser vierwöchiges Treffen mit der Bewegung der arbeitenden Kinder
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