KinderRächtsZeitung Regenbogen
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Ausgabe 21

Editorial
Noch einmal Nicaragua
Ich habe dir nie einen Rosengarten versprochen [Buchrezension]
Einmal Rupert und zurück [4. Fortsetzung von "Per Anhalter durch die Galaxis"]
Im Internet gut gefunden: Antipädagogik
Die Chemiestunde [Gedicht]
Das Recht, von zu Hause auszuziehen
Kommentar: Ziel verfehlt
Gleichberechtigung in der Familie
Schulgesetz [macht dachte es wäre anders...]
Durch einen Spiegel in einem dunklen Wort [Buchrezension]
"Vom Fehlen der Fehler"
Pressemitteilung Chemiefall: OVG lehnt Berufung ab
KRÄTZÄ ist umgezogen
Verfassungsfeindlich zum Wahlgang Teil 2
SLAPSTICK '68 - Benno-Ohnesorg-Kongreß
An-, Ab- und Aussichten [kurze Kommentare zu kinderrechtlichen/politischen Themen]
Nicotapias Kolumne
K.R.Ä.T.Z.Ä.-Aktionen
Musike fom veinsten
"Die Schule - Ein Frevel an der Jugend"
Informationen für Minderjährige

Cover Ausgabe 21
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SLAPSTICK ‘68

Benno-Ohnesorg-Kongreß vom 30.5. bis 1.6.97 in der TU Berlin

Vor 30 Jahren, am 2. Juni 1967, wurde der Student Benno Ohnesorg während der Teilnahme an einer Demonstration gegen den Staatsbesuch des Schahs von Persien von der Polizei erschossen. Dies trug damals entscheidend zur Radikalisierung der Studentenbewegung mit bei und zu dem, was heute "Achtundsechziger" genannt wird. 30 Jahre sind einen Kongreß wert, zumal einige "Junge" von den "Alten" Perspektiven oder die Benennung von Problemen erhoffen und diese wiederum wissen wollen, warum die Mehrheit der "Jugend von heute" lieber zur Love Parade geht.

Nach 30 Jahren ist längst nicht alles aufgearbeitet. Als sich am ersten  Kongreßabend schon abzeichnete, daß die 68er Generation und die Jugendlichen erhebliche Kommunikationsprobleme miteinander hatten (unter anderem wurde den Älteren vorgeworfen, sie würden sich mit Privatanekdötchen selbstbeweihräuchern), hofften viele noch auf eine bessere Verständigung in den einzelnen Arbeitsgruppen am nächsten Kongreßtag.
Dieser allerdings gewann an Schärfe dazu:
Zum einen kam es zu einem filmreifen Höhepunkt in der Arbeitsgruppe der zur Zeit in zwei Fronten aufgespalteten Tageszeitung junge Welt. Hier soll nicht der Konflikt wiedergegeben werden, sondern das Problem, an dem der Kongreß scheiterte und an dem die junge Welt wohl über kurz oder lang ebenso zugrunde gehen wird: die sogenannte Linke war nicht in der Lage, einen zivilisierten, konstruktiven und sachlichen Streit zu führen. Als nach drei Stunden Diskussion in der AG junge Welt keine der beiden Parteien von ihrer Position abgerückt war, hielten es die Redakteure der jungle World, die die Redaktionsräume zum Zeitpunkt des Kongresses besetzt hielten, offenbar für gerechtfertigt, dem Geschäftsführer Dietmar Koschmieder eine Sahnetorte ins Gesicht zu klatschen. Daraufhin löste sich die Veranstaltung auf. Beim anschließenden Kongreßplenum aller Arbeitsgruppen wurde eine Resolution zur Abstimmung gestellt, die eine Distanzierung des Kongresses von der Tortenaktion verlangte. Die übergroße Mehrheit schüttelte sich vor Lachen und wies den Antrag ab.
Die zweite große Auseinandersetzung am Sonnabend hatte das Ex-SDS-Mitglied sowie Ex-Kommunarde Rainer Langhans zum Gegenstand. Es wurde von mehreren Kongreßteilnehmern auf dessen pro-faschistischen Äußerungen in Interviews und Büchern hingewiesen und gefordert, im Nachhinein seinen Auftritt in Arbeitsgruppen und auf dem Podium zu mißbilligen. Günther Langer dagegen sprach sich gegen diese "stalinistischen Methoden" aus, man müsse jedem das Recht auf freie Rede zugestehen. Dagegen wurde wiederum protestiert, unter anderem von einem Teilnehmer, der mit den Worten: "Na super, wir ham’s ja heute so liberal!" ein Exemplar der rechten Zeitung "Junge Freiheit" dem ebenfalls im Publikum sitzenden Tilmann Fichte anbot, einem für seine deutschnationale Position bekanntem SPDler. Dieser verschwand recht bald, Rainer Langhans jedoch blieb im Saal.

Am 1. Juni sollte zum Abschluß des Kongresses die "Radikale Opposition heute" diskutiert werden. Dieses Thema wurde zwar nicht debattiert, dennoch ging es um nichts anderes. Gleich zu Anfang wurde die Diskussion um den "Esotherik-Faschisten" Langhans wieder aufgenommen. Pascal Beurer, Redakteur der uni-konkret, drohte, die Unterstützung des Kongresses durch die konkret zurückzuziehen, falls Langhans auf das Podium gelassen werde. So verging eine Viertelstunde, ohne daß man zum eigentlichen Thema der Debatte gekommen war. Plötzlich entlud sich die Stimmung auf dem Podium in einem Handgemenge zwischen Günther Frech von der IG Medien und Günther Langer, an dem sich spontan weitere Besucher beteiligten. Etliche Leute verkündeten, jetzt zu gehen, da sie sich einer solchen Linken in keiner Weise zugehörig fühlten. Nach einigen Minuten gelang es Jutta Ditfurth, das Wort zu ergreifen. Zur Begründung, wieso Langhans keine Redefreiheit auf dem Kongreß haben dürfe, führte sie zahlreiche Zitate von ihm an, wie zum Beispiel Äußerungen, nach denen "Spiritualität in Deutschland Hitler" heiße und wir die "Hochkultur des SS-Todeskultes verstehen und bewundern" sollten. "Wenn wir nicht einmal die strikte Abneigung solcher Statements gemeinsam haben, dann gibt es keine Gemeinsamkeiten!" schloß Ditfurth. Da die ursprünglich für das Podium vorgesehenen Leute nach den Handgreiflichkeiten keine Lust mehr hatten, auf das Podium zurückzukehren, löste sich der Kongreß vorzeitig auf. Viele Teilnehmer gingen zur Parallelveranstaltung in der SfE im Mehringhof, die zwar völlig überfüllt war, aber weitaus sachlicher verlief. Vor dem Aufbruch wurde Rainer Langhans allerdings noch ein blauer Farbbeutel verpaßt. - Allerfeinster Slapstick, Kommunikationsstörungen zwischen Jungen und Alten und eine geplatzte Abschlußdemonstration: nach diesem Kongreß muß wohl noch mehr aufgearbeitet werden als vorher. Vielleicht von der nächsten Generation.

Julie

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