KinderRächtsZeitung Regenbogen
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Ausgabe 21

Editorial
Noch einmal Nicaragua
Ich habe dir nie einen Rosengarten versprochen [Buchrezension]
Einmal Rupert und zurück [4. Fortsetzung von "Per Anhalter durch die Galaxis"]
Im Internet gut gefunden: Antipädagogik
Die Chemiestunde [Gedicht]
Das Recht, von zu Hause auszuziehen
Kommentar: Ziel verfehlt
Gleichberechtigung in der Familie
Schulgesetz [macht dachte es wäre anders...]
Durch einen Spiegel in einem dunklen Wort [Buchrezension]
"Vom Fehlen der Fehler"
Pressemitteilung Chemiefall: OVG lehnt Berufung ab
KRÄTZÄ ist umgezogen
Verfassungsfeindlich zum Wahlgang Teil 2
SLAPSTICK '68 - Benno-Ohnesorg-Kongreß
An-, Ab- und Aussichten [kurze Kommentare zu kinderrechtlichen/politischen Themen]
Nicotapias Kolumne
K.R.Ä.T.Z.Ä.-Aktionen
Musike fom veinsten
"Die Schule - Ein Frevel an der Jugend"
Informationen für Minderjährige

Cover Ausgabe 21
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Das Recht, von zu Hause auszuziehen

Kinder in den Keller oder in die Garage einzusperren, erregt - sofern es aufgedeckt wird - völlig zu Recht öffentliches Aufsehen und Empörung, Kinder in der Wohnung einzusperren nicht. Im Gegenteil: Freiheitsberaubung heißt, falls sie bewußt geschieht, "Stubenarrest" und wird von nicht wenigen angewandt, befürwortet oder mindestens toleriert, weil ja sogenannte "erzieherische Erfolge" nicht ausgeschlossen sind. Aber auch ohne, daß es einem bewußt wird, werden Kinder tagtäglich zu Hause eingesperrt, einfach dadurch, daß sie nicht das Recht haben, zu Hause auszuziehen.

Die Ursachen, warum Kinder nicht mehr zu Hause leben wollen, sind unterschiedlich. Vielleicht ist es für die Kinder zweckmäßiger oder einfach schöner, an einem anderen Ort zu leben. Häufig fühlen sich die Kinder in der Familie nicht mehr wohl und/oder sind nicht damit einverstanden, wie sie von Eltern (oder anderen in der Familie lebenden Personen) behandelt werden und wollen sich dem nun entziehen. Verbietet man Kindern dieses, so schränkt man ihr Grundrecht auf Freizügigkeit ein.
Man stelle sich vor, man zwänge einen Erwachsenen mit zwei wesentlich älteren Menschen zusammenzuleben, die komplett andere Interessen haben und noch zusätzlich Macht ausüben, einen erpressen, bestechen und bedrohen wollen, sowie einen aus Entscheidungsprozessen jeglicher Art ausschließen. Wer würde da nicht daran denken auszuziehen, wenn er denn könnte?

Daß das Kind oder der Jugendliche in eine eigene Wohnung zieht, ist nur eine von vielen Möglichkeiten - und vermutlich nicht mal die wahrscheinlichste. Bei gegenseitigem Einverständnis könnte das Kind z.B. zu anderen Verwandten ziehen, bei der Familie von Freunden wohnen oder in einer Jugend-WG.
Erwachsene, die zusammen in einer Wohnung leben und nicht mehr miteinander klarkommen, haben ja auch, mindestens im Prinzip, die Möglichkeit, für einige Zeit oder auch für länger zu jemand anders zu ziehen. Kinder haben diese Möglichkeit bisher nicht, sie dürfen sich nicht aussuchen, mit welchem/n Menschen sie zusammenleben, während Eltern ihre Kinder sogar ins Kinderheim abschieben können. Dieses einseitige (Macht-)Verhältnis ist mit der Gleichberechtigung der Generationen nicht vereinbar.

Das Recht, zu Hause auszuziehen, ist ein wichtiger Schritt für mehr Selbstbestimmung von Kindern und Jugendlichen. Ihnen dieses Recht nicht länger vorzuenthalten ist vergleichbar mit der Abschaffung der Anwesenheitspflicht in der Schule. Solange die Teilnahme an der Schule bzw. an der Familie nicht freiwillig ist, sind beide nicht wirklich demokratisch, egal wie gerecht und demokratisch diese beiden Lebensorte intern gestalten sein mögen.
Solange dieses Recht für Kinder und Jugendliche nicht existiert, ist das eigene Zuhause für sie faktisch, nach der Schule, ein zweites Teilzeitgefängnis.

Finanzierung

Bei der praktischen Umsetzung stellt sich das Problem der Finanzierung. Ideal wäre natürlich ein Recht auf vom Staat bezahlten Wohnraum für jeden einzelnen Menschen, dies ist zur Zeit allerdings wenig aussichtsreich. Eltern sind laut Bürgerlichem Gesetzbuch für ihre Kinder unterhaltspflichtig. In der Praxis wird es allerdings als ausreichend angesehen, wenn sie die Kinder bei sich zu Hause wohnen lassen und dort verpflegen. Die Bestimmung müßte dahin geändert werden, daß Eltern ihren nicht mehr zu Hause lebenden Kindern soviel Geld auszahlen müßten, wie die Kinder auch verbrauchen würden, wenn sie bei ihren Eltern leben würden. Reicht dieses Geld für die Kinder nicht aus, müßte das Sozialamt die Differenz übernehmen.

Martin Wilke

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