KinderRächtsZeitung Regenbogen
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Ausgabe 21

Editorial
Noch einmal Nicaragua
Ich habe dir nie einen Rosengarten versprochen [Buchrezension]
Einmal Rupert und zurück [4. Fortsetzung von "Per Anhalter durch die Galaxis"]
Im Internet gut gefunden: Antipädagogik
Die Chemiestunde [Gedicht]
Das Recht, von zu Hause auszuziehen
Kommentar: Ziel verfehlt
Gleichberechtigung in der Familie
Schulgesetz [macht dachte es wäre anders...]
Durch einen Spiegel in einem dunklen Wort [Buchrezension]
"Vom Fehlen der Fehler"
Pressemitteilung Chemiefall: OVG lehnt Berufung ab
KRÄTZÄ ist umgezogen
Verfassungsfeindlich zum Wahlgang Teil 2
SLAPSTICK '68 - Benno-Ohnesorg-Kongreß
An-, Ab- und Aussichten [kurze Kommentare zu kinderrechtlichen/politischen Themen]
Nicotapias Kolumne
K.R.Ä.T.Z.Ä.-Aktionen
Musike fom veinsten
"Die Schule - Ein Frevel an der Jugend"
Informationen für Minderjährige

Cover Ausgabe 21
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"Vom Fehlen der Fehler"

"Man kann keine Fehler machen.", "Es gibt keine Gewalt.", "Ich setze selbstverständlich meine Machtmittel ein.", "Ich gebe nie mehr nach - ich finde andere Wege.", "Du kannst meinen antipädagogischen Herzschlag fühlen."
Das sind fünf von 113 "Antipädagogischen Symbolsätzen" von Dr. Hubertus von Schoenebeck, dem Gründer des "Freundschaft mit Kindern - Förderkreis e.V., Münster" (FMK). Im letzten Regenbogen (könnt ihr bestellen) wurde bereits das neue Buch von Ekkehard von Braunmühl "Was ist antipädagogische Aufklärung?" vorgestellt, in dem Hubertus von Schoenebeck schwere Vorwürfe gemacht werden. Durch den Mißbrauch der Begriffe "Antipädagogik" und "Kinderrechtsbewegung" für seine äußerst fragwürdige "Lebensphilosophie" habe er der von Ekkehard von Braunmühl betriebenen seriösen antipädagogischen Aufklärung erheblich geschadet. - Hier folgt nun, wie angekündigt, die weitere inhaltliche Auseinandersetzung; und zwar mit von Schoenebecks These "Es gibt keine Fehler."

Wie kommt man eigentlich auf sowas? Geht nicht jeder mal von falschen Tatsachen aus und erreicht damit etwas vollkommen anderes als geplant? Wodurch sollten Menschen jemals etwas lernen, wenn sie keine Fehler begehen könnten? Und vor allen Dingen: Was hat das alles mit Antipädagogik zu tun?

Hubertus von Schoenebeck legt nicht besonders großen Wert darauf, durch rationale Argumente aufzuklären. Davon konnte ich mich bei einem seiner Vorträge überzeugen, als er in der nachfolgenden Diskussionsrunde auf Kritik oder Fragen erwiderte: "Ich bin Hubertus von Schoenebeck, und dort ist die Tür." Ekkehard von Braunmühl beschreibt es so: "Nehmen Sie zur Kenntnis: Wer FMK verstehen will, hat nichts verstanden."
Im Gegensatz also zur antipädagogischen Aufklärung, die von Braunmühl vertritt, erschließt sich von Schoenebecks Antipädagogik "mit dem Gefühl". Hier behauptet jemand, es gäbe keine Fehler (so, als ob alles Unangenehme durch bloßes Leugnen verschwände), ohne die Absicht, seine These zu begründen. Das macht man schließlich nur, um die Möglichkeit, sich zu irren, auszuschließen. Wer diese Möglichkeit einfach bestreitet, braucht auch nicht zu argumentieren.
Daß Fehler (auch außerhalb des naturwissenschaftlichen Bereiches) existieren, ist logisch. Zwar sind Gefühle nicht bewertbar; Taten, Handlungen, Aussprüche hingegen lassen sich sehr wohl in Kategorien wie "falsch/richtig" einordnen. Dabei ist der Wunsch, unfehlbar zu sein, auf den ersten Blick verständlich. Besonders Menschen, die schlechte Erinnerungen an autoritäre Erziehung haben, werten den Begriff Fehler oft ganzheitlich, nehmen Fehler persönlich und würden das Risiko, Fehler zu machen, am liebsten beseitigen. Zu diesen Leuten scheint auch Hubertus von Schoenebeck zu gehören, denn er schreibt in einem Statement über Fehler: "Begriffspaar ‘richtig/falsch’ ist wichtig für Oben-Unten-Systeme wie  Pädagogik". "Falsch! Setzen!" assoziiert Ekkehard von Braunmühl und kommentiert: "Der Trotz muß doch dem ‘Setzen!’ gelten, nicht dem ‘Falsch!’" - Denn auf den zweiten Blick wird klar, daß Fehler Lernen und Entscheidungen ermöglichen, daß verschiedene Optionen erst durch die Möglichkeit von Fehlern existieren, daß Fehler die Chance bieten, das eigene Verhalten und das anderer zu reflektieren, zu analysieren und dadurch eventuell eine Verbesserung zu erreichen. Das bereits angesprochene "Wegleugnen" unangenehmer Dinge hat bei von Schoenebeck Methode. So ist unantastbarer Grundsatz: "Jeder spürt das eigene Beste." - "...Und das tut er auch.", wird hier offenbar abgeleitet. Daraus resultieren widerum Fehler- und Schuldlosigkeit. Im Endeffekt zeigt sich die "Lebensphilosophie" des FMK als verzweifelte Trotzreaktion, keinesfalls aber als Antipädagogik, der es ja um die Aufklärung von Denkfehlern geht. Im Gegenteil ist diese Theorie als Rechtfertigung verwendbar für alle denkbaren Ungerechtigkeiten (nicht nur) Kindern gegenüber: Der Mörder/Schläger hat schließlich, wie alle anderen auch, sein Bestes gegeben, wer würde es da wagen, ihn durch die Unterstellung einer "falschen" Handlung zu "pädagogisieren" und seine "Innere Welt" anzutasten?! Die vermeintliche Alternative zur Pädagogik bedeutet praktisch die Abschaffung der Kategorie Recht und somit das nackte Faustrecht.

Diesen Etikettenschwindel haben einige K.R.Ä.T.Z.Ä. in einem Brief an den Verbraucherschutzbund benannt und kritisiert. Wir halten die FMK-Ideologie für eine äußerst gefährliche Irreführung und sind an einer öffentlich geführten Diskussion interessiert.
Wir schließen uns dem Rat an, den Ekkehard von Braunmühl den Lesern am Ende des Kapitels "Vom Fehlen der Fehler" gibt, nämlich die "schoenebeckschen Eigentümlichkeiten" nicht "für ‘antipädagogisch’ zu halten. Andernfalls würde ich Ihnen empfehlen, lieber weiter ‘pädagogisch’ zu denken. Das wäre ganz sicher der kleinere Fehler."

Julia Franz

Erhältlich im Buchhandel:
Ekkehard von Braunmühl: Was ist antipädagogische Aufklärung? Mißverständnisse, Mißbräuche, Mißerfolge der radikalen Erziehungskritik, Kid-Verlag, Bonn 1997, 16 DM.
Ekkehard von Braunmühl: Antipädagogik - Studien zur Abschaffung der Erziehung, Beltz Verlag, Weinheim 1975, 8. Auflage 1993
Ekkehard von Braunmühl: Zeit für Kinder, Theorie und Praxis von Kinderfeindlichkeit, Kinderfreundlichkeit und Kinderschutz, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a.M., 1978, 16. Auflage 1995

Zu bestellen bei Annette Böhm, Hülchrather Str. 3, 50670 Köln:
A) Ekkehard von Braunmühl: Zur Vernunft kommen - Eine Anti-Psychopädagogik (ursprünglich Beltz Verlag, Weinheim 1990)
B) Annette Böhm und Ekkehard von Braunmühl: Liebe ohne Hiebe - Der Weg zur harmonischen Familienbeziehung (ursprünglich Patmos Verlag, Düsseldorf, 1993)
C) Annette Böhm und Ekkehard von Braunmühl: Gleichberechtigung im Kinderzimmer - Der vergessene Schritt zum Frieden (ursprünglich Patmos-Verlag, Düsseldorf 1994)
(A= 23,- , B= 20,- , C= 20,- A&B oder A&C= 38,- B&C= 30,- , A&B&C= 53,-)

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