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Ausgabe 21

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"Vom Fehlen der Fehler"
"Man kann keine Fehler machen.", "Es gibt keine Gewalt.", "Ich setze
selbstverständlich meine Machtmittel ein.", "Ich gebe nie mehr nach
- ich finde andere Wege.", "Du kannst meinen antipädagogischen Herzschlag
fühlen."
Das sind fünf von 113 "Antipädagogischen Symbolsätzen"
von Dr. Hubertus von Schoenebeck, dem Gründer des "Freundschaft mit
Kindern - Förderkreis e.V., Münster" (FMK). Im letzten Regenbogen
(könnt ihr bestellen) wurde bereits das neue Buch von Ekkehard von
Braunmühl "Was ist antipädagogische Aufklärung?" vorgestellt,
in dem Hubertus von Schoenebeck schwere Vorwürfe gemacht werden. Durch
den Mißbrauch der Begriffe "Antipädagogik" und "Kinderrechtsbewegung"
für seine äußerst fragwürdige "Lebensphilosophie"
habe er der von Ekkehard von Braunmühl betriebenen seriösen antipädagogischen
Aufklärung erheblich geschadet. - Hier folgt nun, wie angekündigt,
die weitere inhaltliche Auseinandersetzung; und zwar mit von Schoenebecks
These "Es gibt keine Fehler."
Wie kommt man eigentlich auf sowas? Geht nicht jeder mal von falschen
Tatsachen aus und erreicht damit etwas vollkommen anderes als geplant?
Wodurch sollten Menschen jemals etwas lernen, wenn sie keine Fehler begehen
könnten? Und vor allen Dingen: Was hat das alles mit Antipädagogik
zu tun?
Hubertus von Schoenebeck legt nicht besonders großen Wert darauf,
durch rationale Argumente aufzuklären. Davon konnte ich mich bei einem
seiner Vorträge überzeugen, als er in der nachfolgenden Diskussionsrunde
auf Kritik oder Fragen erwiderte: "Ich bin Hubertus von Schoenebeck, und
dort ist die Tür." Ekkehard von Braunmühl beschreibt es so: "Nehmen
Sie zur Kenntnis: Wer FMK verstehen will, hat nichts verstanden."
Im Gegensatz also zur antipädagogischen Aufklärung, die von
Braunmühl vertritt, erschließt sich von Schoenebecks Antipädagogik
"mit dem Gefühl". Hier behauptet jemand, es gäbe keine Fehler
(so, als ob alles Unangenehme durch bloßes Leugnen verschwände),
ohne die Absicht, seine These zu begründen. Das macht man schließlich
nur, um die Möglichkeit, sich zu irren, auszuschließen. Wer
diese Möglichkeit einfach bestreitet, braucht auch nicht zu argumentieren.
Daß Fehler (auch außerhalb des naturwissenschaftlichen
Bereiches) existieren, ist logisch. Zwar sind Gefühle nicht bewertbar;
Taten, Handlungen, Aussprüche hingegen lassen sich sehr wohl in Kategorien
wie "falsch/richtig" einordnen. Dabei ist der Wunsch, unfehlbar zu sein,
auf den ersten Blick verständlich. Besonders Menschen, die schlechte
Erinnerungen an autoritäre Erziehung haben, werten den Begriff Fehler
oft ganzheitlich, nehmen Fehler persönlich und würden das Risiko,
Fehler zu machen, am liebsten beseitigen. Zu diesen Leuten scheint auch
Hubertus von Schoenebeck zu gehören, denn er schreibt in einem Statement
über Fehler: "Begriffspaar ‘richtig/falsch’ ist wichtig für Oben-Unten-Systeme
wie Pädagogik". "Falsch! Setzen!" assoziiert Ekkehard von Braunmühl
und kommentiert: "Der Trotz muß doch dem ‘Setzen!’ gelten, nicht
dem ‘Falsch!’" - Denn auf den zweiten Blick wird klar, daß Fehler
Lernen und Entscheidungen ermöglichen, daß verschiedene Optionen
erst durch die Möglichkeit von Fehlern existieren, daß Fehler
die Chance bieten, das eigene Verhalten und das anderer zu reflektieren,
zu analysieren und dadurch eventuell eine Verbesserung zu erreichen. Das
bereits angesprochene "Wegleugnen" unangenehmer Dinge hat bei von Schoenebeck
Methode. So ist unantastbarer Grundsatz: "Jeder spürt das eigene Beste."
- "...Und das tut er auch.", wird hier offenbar abgeleitet. Daraus resultieren
widerum Fehler- und Schuldlosigkeit. Im Endeffekt zeigt sich die "Lebensphilosophie"
des FMK als verzweifelte Trotzreaktion, keinesfalls aber als Antipädagogik,
der es ja um die Aufklärung von Denkfehlern geht. Im Gegenteil ist
diese Theorie als Rechtfertigung verwendbar für alle denkbaren Ungerechtigkeiten
(nicht nur) Kindern gegenüber: Der Mörder/Schläger hat schließlich,
wie alle anderen auch, sein Bestes gegeben, wer würde es da wagen,
ihn durch die Unterstellung einer "falschen" Handlung zu "pädagogisieren"
und seine "Innere Welt" anzutasten?! Die vermeintliche Alternative zur
Pädagogik bedeutet praktisch die Abschaffung der Kategorie Recht und
somit das nackte Faustrecht.
Diesen Etikettenschwindel haben einige K.R.Ä.T.Z.Ä. in einem
Brief an den Verbraucherschutzbund benannt und kritisiert. Wir halten die
FMK-Ideologie für eine äußerst gefährliche Irreführung
und sind an einer öffentlich geführten Diskussion interessiert.
Wir schließen uns dem Rat an, den Ekkehard von Braunmühl
den Lesern am Ende des Kapitels "Vom Fehlen der Fehler" gibt, nämlich
die "schoenebeckschen Eigentümlichkeiten" nicht "für ‘antipädagogisch’
zu halten. Andernfalls würde ich Ihnen empfehlen, lieber weiter ‘pädagogisch’
zu denken. Das wäre ganz sicher der kleinere Fehler."
Julia Franz
Erhältlich im Buchhandel:
Ekkehard von Braunmühl: Was ist antipädagogische Aufklärung?
Mißverständnisse, Mißbräuche, Mißerfolge der
radikalen Erziehungskritik, Kid-Verlag,
Bonn 1997, 16 DM.
Ekkehard von Braunmühl: Antipädagogik - Studien zur Abschaffung
der Erziehung, Beltz Verlag, Weinheim 1975, 8. Auflage 1993
Ekkehard von Braunmühl: Zeit für Kinder, Theorie und Praxis
von Kinderfeindlichkeit, Kinderfreundlichkeit und Kinderschutz, Fischer
Taschenbuch Verlag, Frankfurt a.M., 1978, 16. Auflage 1995
Zu bestellen bei Annette Böhm, Hülchrather Str. 3, 50670 Köln:
A) Ekkehard von Braunmühl: Zur Vernunft kommen - Eine Anti-Psychopädagogik
(ursprünglich Beltz Verlag, Weinheim 1990)
B) Annette Böhm und Ekkehard von Braunmühl: Liebe ohne Hiebe
- Der Weg zur harmonischen Familienbeziehung (ursprünglich Patmos
Verlag, Düsseldorf, 1993)
C) Annette Böhm und Ekkehard von Braunmühl: Gleichberechtigung
im Kinderzimmer - Der vergessene Schritt zum Frieden (ursprünglich
Patmos-Verlag, Düsseldorf 1994)
(A= 23,- , B= 20,- , C= 20,- A&B oder A&C= 38,- B&C= 30,-
, A&B&C= 53,-)
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