KinderRächtsZeitung Regenbogen
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Ausgabe 23

Editorial
Lernen trotz Schule - Warum Pfefferminze in der Schokolade kühl schmeckt
Die Zehn Verbote
Werbung für den Antipädagogischen Rundbrief
Für Kinderrechte heißt gegen die "Kinderrechtskonvention"
Macht Schule Sinn
K.R.Ä.T.Z.Ä. sächselt [zwei Leipzigerinnen über uns]
Im Internet gut gefunden - Demokratische Schulen in den USA
Dringend gesucht: Spenden
KSZE heißt jetzt O.A.S.E.
Kölner Konferenz
K.R.Ä.T.Z.Ä.-Aktionen
Zur Bundestagswahl - Parteien im Vergleich (AK Kinderrechte/Gleichberechtigung des 2. Jugendkongresses der SRzG)
An-, Ab- und Aussichten [kurze Kommentare zu kinderrechtlichen/politischen Themen]
Nicatapias 4. Kolumne
Es ist Wahlk(r)ampf ... [zur Ausländerpolitik]
Alice Miller: Wege des Lebens [Rezension]
Kinderrechtliche News
Kinderrechtliches bei der APPD
Die 68er und ihre Kinder - Ein Plädoyer gegen antiautoritäre und jede andere Erziehung

Cover Ausgabe 23
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Zur Bundestagswahl: Parteien im Vergleich

Im November 1997 wurden auf dem 1. Jugendkongreß der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen "Neue Generationenverträge" erarbeitet. Die Wahlprogramme der Bundestagsparteien wurden mit den zentralen Forderungen der Generationenverträge verglichen. Wie man sieht, sind unsere K.R.Ä.T.Z.Ä.-Positionen gut vertreten. Hier nun die wichtigsten Stellen des Generationenvertragen "Gleichberechtigung der Generationen":

Kinder und Erwachsene sind gleichberechtigt. Das Alter darf kein Kriterium zur Vorenthaltung von Grundrechten sein. Kinderschutz darf nicht Einschränkung, sondern muß Stärkung von Rechten bedeuten. Zur Logik der intergenerationellen Gerechtigkeit gehört es, daß Grundrechte nicht von Fähigkeiten und Pflichten abhängen.
Das Züchtigungsrecht wird abgeschafft. Erziehung darf kein Vorwand für die Außerkraftsetzung von Grundrechten sein. Das Züchtigungsrecht ist der eklatanteste und offensichtlichste Verstoß gegen intergenerationelle Fairneß.
Die Altersgrenze beim aktiven und passiven Wahlrecht wird auf allen Ebenen abgeschafft. Auf politischer Ebene ist die zentrale Ungerechtigkeit den jungen Menschen gegenüber, daß sie aus der Demokratie ausgesperrt werden. Das Argument, Kinder besäßen nicht die Fähigkeit / Reife zum Wählen, ist irrelevant, da auch Erwachsene nicht auf ihre Wahlfähigkeit hin überprüft werden dürfen. Es gibt in der Demokratie keine Instanz, die über die Qualität einer Wahlstimme entscheiden kann.

  CDU SPD Bündnis 90 / Die Grünen F.D.P. PDS
Kinder kommen als Subjekte vor - :-| :-) - :-)
Gleichberechtigung der Generationen - - :-( - :-|
Abschaffung des Züchtigungsrechtes :-( - :-) - -
Abschaffung der Altersgrenze beim Wahlrecht :-( - :-( - :-(
Beantwortung der Prüfsteine :-( - :-| - :-(

:-( = Keine Übereinstimmung
:-| = teilweise Übereinstummung
:-) = völlige Übereinstimmung
- = keine Erwähnung

CDU

Im Wahlprogramm der CDU kommt das Kind als Subjekt und Träger eigener Rechte überhaupt nicht vor. Nur im Zusammenhang mit Familie und Ehe wird die Situation von Kindern angesprochen. Erst wenn Kinder und Jugendliche kriminell werden, sind sie bei der CDU als eigenständige Persönlichkeiten dargestellt ("Auf kriminelle Taten Jugendlicher hat eine unmißverständliche strafrechtliche Sanktion zu folgen").
Infolgedessen wird Gleichberechtigung der Generationen nicht erwähnt. Auch in der Beantwortung der Prüfsteine wird mit keinem Wort auf dieses Thema eingegangen.
Das Züchtigungsrecht kommt im Wahlprogramm nicht vor, jedoch wird bei der Beantwortung der Prüfsteine die Aussage getroffen, daß die CDU "Kinder vor Gewalt und Mißhandlung, insbesondere in der Familie," bewahren will. Wir sehen trotzdem keine Übereinstimmung, da die CDU am Status quo bzgl. des Züchtigungsrechtes festhalten will. Dieses verbietet zwar körperliche und seelische Mißhandlungen, schließt aber Gewalt an Kindern nicht definitiv aus. An der vor kurzem von Bundesjugendministerin Claudia Nolte getroffenen Aussage, ein "Klaps" auf den Hintern sei bei Kindern manchmal "notwendig", kann man auch keine ernsthafte Auseinandersetzung mit der elterlichen Gewalt an Kindern erkennen. Wir sehen schon in dem Begriff "Klaps" eine Gewaltverharmlosung, weil suggeriert wird, es handle sich dabei um einen freundschaftlichen Klaps. Dieser kann aber nicht gemeint sein, weil kein ernsthafter Mensch behaupten kann, daß der "manchmal notwendig" sei. Diese Aussage macht vielmehr deutlich, daß es um körperliches Strafen geht.
Zum Wahlrecht gibt es im Wahlprogramm der CDU keine Aussage, bei der Beantwortung der Prüfsteine wird aber die Position vertreten, daß das Wahlrecht an Pflichten gebunden sei. Dies steht im direkten Gegensatz zu den Aussagen im Generationenvertrag, auf die nicht eingegangen wird. Außerdem verweist die CDU auf Jugendgemeinderäte, in denen Jugendliche "ihre Interessen umfassend" einbringen könnten, "etwa wenn es um Jugendeinrichtungen, den Schulweg oder den örtlichen Umweltschutz geht". Weitere Interessen spielen keine Rolle. Dies macht deutlich, daß die CDU grundsätzliche Rechte von Kindern nicht ernstnimmt.
Zwar bezieht sich die CDU auf die gestellten Fragen, doch wird sie den gestellten Anforderungen nicht gerecht. So schafft sie es in der Beantwortung der Frage nach der Gleichberechtigung in keinem Satz auf die Rechtssituation der Kinder einzugehen und stattdessen in drei Absätzen thematisch völlig verfehlt über demographische Entwicklung, Sozialversicherungssysteme und Erziehungsleistung der Eltern zu berichten. Auch wird in der Beantwortung der Fragen nach Züchtigungsrecht und Wahlrecht nicht auf die Argumente des Generationenvertrages eingegangen.

SPD

Die SPD erkennt den Subjektstatus von Kindern grundsätzlich an, indem sie ihnen eigene Rechte zugesteht und ihre Menschenwürde für schützenswert hält. Im gleichen Atemzug werden Kinder jedoch zu Erziehungsobjekten erklärt. Auch wird der Schwerpunkt auf die Rechte von Eltern und Erziehenden gesetzt, anstatt auf die der Kinder und Jugendlichen. Deshalb sehen wir hier nur teilweise Übereinstimmung.
Zu Gleichberechtigung, Züchtigung von Kindern und Wahlrecht finden sich keine Aussagen im Wahlprogramm. Die Prüfsteine blieben unbeantwortet.
Die weitgehende Nichtbeachtung der Rechte von Kindern in Familie und Politik und die Nichtbeantwortung unserer Fragen werten wir als Ignoranz.

Bündnis 90 / Die Grünen

Die Bündnisgrünen unterstreichen an mehreren Stellen ihres Programms den Subjektstatus von Kindern, indem sie z.B. fordern, "daß Kinder und Jugendliche als eigenständige Personen anerkannt werden." Hier sehen wir eine Übereinstimmung mit unserem grundsätzlichen Verständnis.
Gleichberechtigung der Generationen kommt im Programm nicht vor, auf den entsprechenden Prüfstein reagiert die Partei jedoch. Nach Meinung von Bündnis 90 / Die Grünen seien Grundrechtseinschränkungen bei Kindern "durchaus sinnvoll", "weil von einem Kind oder Säugling die Wahrnehmung bestimmter Grundrechte nicht erwartet werden kann". Hier wird das Recht des Kindes wieder abhängig gemacht von Fähigkeiten und Stärke. Auf die ausdrückliche Argumentation des Generationenvertrags, daß mit dieser Verknüpfung ausgerechnet den Schwächsten die für sie gedachten Minderheitenrechte vorenthalten blieben, geht die Partei nicht ein. Weiterhin wird in dem Antwortbrief argumentiert: Kindern "die vollen Grundrechte zuzubilligen würde bedeuten, sie z.B. auch voll mündig für Straftaten zu machen". Diese Aussage ist schlicht falsch, weil das Strafrecht mit dem Grundgesetz gar nichts zu tun hat. Für diesen Bereich erhalten Bündnis 90 / Die Grünen deshalb eine negative Wertung.
Von allen Parteien formulieren Bündnis 90 / Die Grünen am deutlichsten in ihrem Wahlprogramm: "Wir wollen, daß gesetzlich unmißverständlich klargestellt wird, daß Kinder gewaltlos zu erziehen sind. Ein Recht zum Prügeln von Kindern darf es nicht geben." Hier sehen wir eine Übereinstimmung mit der Forderung, das Züchtigungsrecht abzuschaffen.
Bündnis 90 / Die Grünen fordern in ihrem Programm eine Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre. Die Forderung des Generationenvertrages, die Altersgrenze abzuschaffen, "würde in der Praxis auf das von den Konservativen favorisierte ‚Elternwahlrecht‘ hinauslaufen". Diese Aussage zeigt, daß die Parteivertreterin den erarbeiteten Generationenvertrag offensichtlich nicht einmal gelesen hat, in dem nämlich unmißverständlich steht: "Weiterhin bleibt das Wahlrecht ein ‚persönliches Recht‘, das nicht stellvertretend ausgeübt werden darf. Sollten Eltern für ihre Kinder das Wahlrecht erhalten, wären junge Menschen wiederum von der direkten Mitbestimmung ausgeschlossen." Sowohl die Ausführungen zur "praktischen Realisierung" als z.B. auch die Unterscheidung von Schutz- und Ordnungsrechten, die im Generationenvertrag vorgenommen wird, ignoriert die Partei. Genau wie die CDU argumentiert sie mit der Bedingtheit von Rechten und Pflichten in einer Person, obwohl diese – wie ausführlich im Generationenvertrag begründet – jeglichen Sinn von Menschenrechten komplett verfehlt. Zitat: "(...)wie sollte man [bei einer Abschaffung der Altersgrenze beim Wahlrecht] die eingeschränkte Geschäftsfähigkeit und Strafmündigkeit, die ja dem Schutz von Kindern dienen, begründen?" Als würden andere Grundrechte – wie z.B. die Meinungsfreiheit – von der Geschäftsfähigkeit oder Strafmündigkeit abhängig gemacht werden. Deshalb eine negative Bewertung der Bündnisgrünen an dieser Stelle.
Für die Beantwortung der Prüfsteine erhalten Bündnis 90 / Die Grünen zwar die beste Bewertung aller Parteien, nicht jedoch eine gute Bewertung. Der Aufforderung, sich vor allem zu der grundsätzlichen Argumentation des Generationenvertrags zu äußern, kommen sie überhaupt nicht nach. Im Gegensatz dazu verwenden sie Argumente, die in dem Vertrag widerlegt werden. Positiv anzumerken ist, daß sie wenigstens alle Fragen konkret beantwortet haben.

F.D.P.

Das Kind wird als Subjekt oder Träger von Rechten nicht erwähnt.
Die F.D.P. schreibt im vorläufigen Wahlprogramm zwar (übereinstimmend mit dem Generationenvertrag): "Alle Menschen sind verschieden. In ihrer Menschenwürde und vor dem Gesetz hingegen sind alle Menschen gleich." Es wird jedoch nicht deutlich gemacht, daß dies auch für Kinder gilt. Da dies rechtlich und tatsächlich für Kinder zur Zeit nicht gilt, müßte die F.D.P. es schon explizit deutlich machen, wenn sie an dieser Situation etwas ändern wollte.
Zum Züchtigungrecht gegenüber Kindern und zum Wahlrecht äußert sich die Partei in ihrem Programm einfach nicht. Auch auf die Prüfsteine hat sie nicht geantwortet.
Dies alles werten wir – wie bei der SPD – als Ignoranz.

PDS

Die PDS macht an vielen Stellen im Wahlprogramm deutlich, daß sie den Subjektstatus von Kindern anerkennt. Das Kind wird als Rechtsträger erwähnt.
Sie fordert die Ergänzung des Grundgesetzes um einen Artikel, der die Grundrechte von Kindern und Jugendlichen regeln soll. Diese Gedanken sind zwar aus kinderrechtlicher Sicht relativ fortschrittlich, grundsätzlich ist aber anzumerken, daß es nicht hauptsächlich um spezielle Rechte von jungen Menschen, sondern um die Gültigkeit aller Grundrechte für sie gehen muß. Die PDS stellt als einzige Partei fest: "Für ein demokratisches und solidarisches Gemeinwesen sind Gleichstellung und Gleichberechtigung aller Menschen unentbehrlich – und zwar unabhängig von Geschlecht, Alter, (...)". Da diese Aussage unlogischerweise z.B. in der Wahlrechtsfrage wieder zurückgenommen wird, sehen wir allerdings nur teilweise Übereinstimmung.
Zum Züchtigungsrecht macht die PDS keine explizite Aussage. Der Satz "Kinder sollen selbstbewußt und gewaltfrei aufwachsen" ist uns zu allgemein. Auch Parteien wie die CDU, die am elterlichen Züchtigungsrecht festhalten, formulieren solche Sätze. Für uns muß deutlich werden, daß "körperliche und seelische Strafen" (Generationenvertrag) generell abgelehnt und das elterliche Züchtigungsrecht abgeschafft gehört.
In der Forderung, das aktive Wahlalter auf allen Ebenen auf 16 zu senken, sehen wir keine Übereinstimmung mit dem Generationenvertrag, in dem klargestellt wird: "Eine Herabsetzung des Wahlalters auf beispielsweise 16 Jahre ist keine Alternative. Das Grundproblem, nämlich der Ausschluß bestimmter Bevölkerungsgruppen von der gleichberechtigten politischen Mitbestimmung, bliebe damit unangetastet. (...)"
Sehr ärgerlich ist das Verhalten der PDS in Bezug auf die Beantwortung der Prüfsteine. Obwohl die Parteien extra darum gebeten wurden, Fragen konkret zu beantworten, hat die Partei einfach Textpassagen aus Programmen kopiert. Im Falle unseres Arbeitskreises kommt die erschwerende Tatsache hinzu, daß hier nur Passagen zum Kindschaftsrecht beigelegt wurden, indem es fast ausschließlich um Elternrechte geht.

Keine Partei schneidet bei unserer Überprüfung gut ab. Insgesamt halten wir das Ergebnis für katastrophal. Dies ist wohl auch Ergebnis davon, daß Nichterwachsene kein Wählerpotential für die Parteien darstellen.

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