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Ausgabe 23

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Es ist Wahlk(r)ampf ...
In der letzten Zeit ist immer mehr die Rede von den bösen Ausländern,
"ihrer Kriminalität" und "ihrer Integrationsunwilligkeit". Mittlerweile
wird gegen diesen ach so unzumutbaren Zustand von sich selbst als links
bezeichnenden Parteienvertretern à la SPD gehetzt. Als "Beweis"
für den hohen(?) Anteil von "ausländischen Straftätern"
werden Statistiken hervorgebracht, die alle sogenannten Straftaten in einen
Topf werfen. Dabei wird von Migranten (Ein- bzw. Auswanderern) meist gegen
Gesetze verstoßen, gegen die ein "echter Deutscher" gar nicht verstoßen
kann. So brauchen zum Beispiel Deutsche, die arbeiten wollen, keine Arbeitserlaubnis,
wollen aber Asylbewerber durch Arbeit aus ihrer unzumutbaren Situation
(es wohnen durchschnittlich 3-4 Personen in einem Zimmer, es besteht kein
Anspruch auf eine medizinische Versorgung, Nahrungsmittel können nach
der Einführung des neuen Chipkartensystems in nicht mal einer Handvoll
Läden in ganz(!) Berlin erstanden werden, die Fahrkarten - 3.90DM
- für den Weg dorthin müssen im übrigen von den völlig
unzureichenden 80 DM Taschengeld pro Monat bezahlt werden, wenn ein Asylbewerber
beim Schwarzfahren erwischt wird, droht ihm die Abschiebung, weil er "straffällig"
geworden ist) herauskommen, müssen sie schwarz (d.h. illegal) arbeiten
und machen sich somit "strafbar". Da ihnen, wenn sie dabei "erwischt" werden
die Abschiebung droht, werden sie häufig von ihren Arbeitgebern nach
Strich und Faden ausgebeutet, denn dieser hat sie in der Hand und kann,
wenn sie nicht für Hungerlöhne wie 1 - 2 DM pro Stunde arbeiten
wollen, sie sofort auf die Straße setzen.
Seit Anfang Juli fordern ein paar Politiker erzkonservativ/rechter
Prägung (bayrischer Innenminister - CSU u.a.) Sippenhaft für
Migranten und zwar in der Form, daß ein straffällig gewordener
"ausländischer" Jugendlicher abgeschoben werden soll, und seine Familie
gleich mit, obwohl für die restlichen Mitglieder der Familie keine
Abschiebegründe vorliegen. Sippenhaft heißt, daß Menschen,
die nicht selbst eine bestimmte "Straftat" begangen haben, sondern die
ein Verwandter begangen hat, trotzdem sie unschuldig sind, für diese
Tat mitbestraft werden. Da die Gesetzbücher so etwas für sogenannte
Deutsche nicht vorsehen, es aber für Nicht-Deutsche angewendet werden
soll, ist dies eine starke Ungleichbehandlung/Diskriminierung aufgrund
der Nationalität, welche gegen das Grundgesetz (mind. Art.1) und die
Menschenrechte (Art. 2 und 7) verstößt.
Aber daß sich deutsche "Sicherheitsexperten" wie zum Beispiel
der Berliner Innensenator Schönbohm bei der Durchsetzung seiner Aufgabe
ein "sauberes Berlin" bis zum Regierungsumzug 1999 zu schaffen, nicht an
bestehende Gesetze und internationale Verträge halten, ist nicht erst
seit der Abschiebung von 74 Flüchtlingen in das (mittlerweile wieder)
Kriegsgebiet des ehemaligen Jugoslawien klar. Als der Herr Innensenator
diese Abschiebung Anfang Juli anordnete, verstieß er gegen das internationale
Abkommen von Dayton, was im Rahmen des zeitweisen Friedensprozesses in
diesem Bürger- und Religionskriegsgebiet auch von Deutschland unterzeichnet
wurde.
Ebenso wird von vielen Politikern aller Fraktionen beklagt, daß
sich viele "ausländische" Familien, die schon seit Jahrzehnten in
Deutschland lebten, nicht "integrieren" wollten. Das wirft bei mir die
Frage auf, wie sich unsere sogenannten Volksvertreter eine derartige "Integration"
vorstellen. Nach deren Willen soll diese anscheinend so aussehen, daß
Migranten ihren Glauben, ihr Weltbild, ihre Lebensgewohnheiten und ihre
Sprache, sprich ihre gesamte Identität zugunsten einer anderen Identität
aufgeben, die der von deutschen Kleinbürgern entspricht und letztere
nicht mit einer anders gearteten Lebensweise konfrontiert.
PS.: Eigentlich findet während der ersten 1 - 2 Jahre des Lebens
in einer neuen Umgebung ganz von alleine eine Anpassung an diese statt.
Karl vom Böckel
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