KinderRächtsZeitung Regenbogen
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Ausgabe 23

Editorial
Lernen trotz Schule - Warum Pfefferminze in der Schokolade kühl schmeckt
Die Zehn Verbote
Werbung für den Antipädagogischen Rundbrief
Für Kinderrechte heißt gegen die "Kinderrechtskonvention"
Macht Schule Sinn
K.R.Ä.T.Z.Ä. sächselt [zwei Leipzigerinnen über uns]
Im Internet gut gefunden - Demokratische Schulen in den USA
Dringend gesucht: Spenden
KSZE heißt jetzt O.A.S.E.
Kölner Konferenz
K.R.Ä.T.Z.Ä.-Aktionen
Zur Bundestagswahl - Parteien im Vergleich (AK Kinderrechte/Gleichberechtigung des 2. Jugendkongresses der SRzG)
An-, Ab- und Aussichten [kurze Kommentare zu kinderrechtlichen/politischen Themen]
Nicatapias 4. Kolumne
Es ist Wahlk(r)ampf ... [zur Ausländerpolitik]
Alice Miller: Wege des Lebens [Rezension]
Kinderrechtliche News
Kinderrechtliches bei der APPD
Die 68er und ihre Kinder - Ein Plädoyer gegen antiautoritäre und jede andere Erziehung

Cover Ausgabe 23
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Für Kinderrechte heißt gegen die "Kinderrechtskonvention"

Es ist schon etwas paradox: Wer die Gleichberechtigung der Generationen will, muß erst einmal aus der UN-Kinderrechtskonvention austreten.

Im Jahre 1959, elf Jahre nach der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, verfaßte die UNO eine Erklärung zu den Rechten des Kindes. 1979 – im internationalen Jahr des Kindes – schlug die polnische Regierung ein entsprechendes "Übereinkommen" vor. Dieses wäre verbindliches Völkerrecht. Nach weiteren zehn Jahren kam schließlich das "Übereinkommen über die Rechte des Kindes" zustande, das Deutschland Anfang 1992 unterzeichnete.
Dieses Abkommen ist in sich widersprüchlich. An einigen Stellen ist es ein "Übereinkommen über die Rechte der Eltern und der Erzieher" und steht im Widerspruch zu grundlegenden Vorstellungen über Gleichberechtigung. Offenbar geht es in dem Abkommen mehr um klassischen Kinderschutz als um wirkliche Kinderrechte.

Um eines geht es in dem Übereinkommen jedenfalls nicht: um Gleichberechtigung. Kinder sollen lediglich etwas mehr Rechte haben als zur Zeit.
Das zeigt sich z.B. in Artikel 12 (1), der oft als der Artikel für garantierte Mitbestimmung genannt wird. In dem Artikel heißt es lediglich: "Die Vertragsstaaten (...) berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife". Was angemessen ist, bestimmen selbstverständlich Erwachsene, ebenso ab welchem Alter man den Kind überhaupt zuhört und natürlich auch, was als reif gilt. In der Menschenrechtserklärung hingegen sind die Rechte gerade nicht abhängig von Fähigkeiten wie "Reife" oder anderen Bedingungen wie z.B. vom Alter.
Es gibt zwar eine Reihe von Stellen in der Kinderechtskonvention, die echte Menschenrechte garantieren, so das Recht auf Leben, auf freie Meinungsäußerung, die Gedanken-, Gewissens- und Glaubensfreiheit, die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit. In Artikel 16 (1) wird das Privatleben vor Eingriffen geschützt, wie auch die Wohnung, der Ruf und die Ehre, in Artikel 19 (1) wird die Gewaltfreiheit festgeschrieben und in Artikel 40 (2) b 1 daß man solange als unschuldig gilt, bis die Schuld bewiesen ist (Unschuldsvermutung).
Demgegenüber stehen mehrere Artikel, die den Menschenrechte grundsätzlich widersprechen. Dazu zählt, daß es laut Artikel 28 (1) Schulpflicht geben muß, jedenfalls für die Dauer der Grundschule, und die dauert je nach Land bis zu acht Jahren. Die Schulpflicht stellt u.a. eine Einschränkung der Menschenrechte auf Freiheit, Freizügigkeit, Gedankenfreiheit, Religionsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Schutz des Privatlebens vor willkürlichen Eingriffen und der Menschenwürde dar. Allen Kindern kostenlose Bildung zugänglich zu machen, könnte mit einem garantierten Recht auf Bildung besser erreicht werden und vor allem ohne Menschenrechtsverletzungen, vor denen die Kinderrechtskonvention eigentlich hätte schützen müssen.
In Artikel 32 (2) a wird gefordert, daß es "ein oder mehrere Mindestalter für die Zulassung zur Arbeit" geben muß, obwohl das Recht zu arbeiten in Artikel 23 der Menschenrechtserklärung festgeschrieben ist, die in ihrem Wortlaut Kinder nicht von den Menschenrechten ausschließt.
Artikel 9 des Übereinkommens beraubt Kinder ihres Menschenrechtes auf Freizügigkeit (Art. 13), indem eine Trennung von den Eltern nicht gegen deren Willen oder andernfalls nur durch eine Gerichtsentscheidung möglich ist. Mit einem Recht des Kindes hat dieser Kinderrechtsartikel nichts zu tun.
Zensur gegenüber Kindern wird durch Artikel 17e legitimiert, in dem es heißt "Zu diesem Zweck werden die Vertragsstaaten die Erarbeitung geeigneter Richtlinien zum Schutz des Kindes von Informationen und Material, die sein Wohlergehen beeinträchtigen, fördern". Auch dieser Artikel steht in völligem Widerspruch zu dem Prinzip, daß Schutz nicht Einschränkung von Rechten bedeuten darf.
Und natürlich gibt es auch Widersprüche innerhalb des Werkes. In der Präambel ist z.B. erst die Rede von voller Entfaltung der Persönlichkeit des Kindes, kurz darauf wird davon gesprochen, daß es erzogen werden soll und zwar "im Geiste des Friedens, der Würde, der Toleranz, der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität", obwohl all diese Ziele gerade nicht durch Erziehung zu verwirklichen sind. Anderen Menschen ein Ziel zu setzen und sie dort – auch gegen deren Willen – hinzuziehen, was Erziehung ja bedeutet, ist mit Demokratie nicht zu vereinbaren. Artikel 18 schreibt noch mal das Recht der Eltern fest, ihre Kinder zu erziehen – und das in einem Übereinkommen über die Rechte des Kindes.
Trotz dieser gravierenden Mängel würde sich die rechtliche Lage von Kindern verbessern, wenn die Kinderrechtskonvention umgesetzt werden würde, da die genannten Menschenrechtseinschränkungen in der Praxis ohnehin längst bestehen. Da eine grundlegende Änderung des "Übereinkommens über die Rechte des Kindes" nicht zu erwarten ist, muß man aus ihm austreten, um eine wirklich kinder- und menschenfreundliche Gesellschaft schaffen zu können.

Martin Wilke

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