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Ausgabe 20

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K.R.Ä.T.Z.Ä.-Aktionen
CHRONIK UPDATE
8.- 9. Oktober 1996
Teilnahme an Kinderhilfswerkstagung "Kids reden mit"
27. November 1996
Pressemitteilung über den Schulausschluß Benjamin Kiesewetters
7.- 8. Dezember 1996
Jugendhearing von Bü'90/Grüne in Kassel zum
Thema Wahlalter
13. Dezember 1996
Pressemitteilung anläßlich der Verhandlung vor dem Berliner
Verwaltungsgericht bzgl. der Zwangsumschulung; Landesschulamt nimmt sofortige
Vollstreckung zurück
19. - 21. Januar 1997
2. Fahrt nach Niedersachsen, Diskussionen über
Kinderwahlrecht
6. Februar 1997
Podiumsdiskussion im Abgeordnetenhaus zum Antrag von Bü'90/Grüne
zu Wahlrecht ab 14
13. Februar 1997
Pressekonferenz zur Gerichtsverhandlung zur "Chemieverweigerung", Herausgabe
einer Pressemitteilung "Schülerklage gegen Unterrichtspflicht"
14. Februar 1997
Gerichtsverhandlung
1.-10. März 1997
K.R.Ä.T.Z.Ä. in Münster
"Kids reden mit - Dialog mit Kindern und Jugendlichen", so hieß eine
zweitägige Tagung in Münster bei der ein paar von uns waren.
Leider nicht, wie man vielleicht vermuten könnte, als einige von vielen
jungen Menschen, sondern eher als Ausnahme. Kinder waren eigentlich nur
in Form von Beobachtern "erwünscht", da auf dieser Tagung ca. 120
"Erwachsene" darüber diskutierten, wie Kinder besser in Entscheidungen
einbezogen werden können.
Nach der Eröffnung ging es zunächst mit einem Vortrag von
Thomas Krüger los, der eine Umfrage, nach der 90% aller Erwachsenen
finden, daß Jugendliche unter 18 an Entscheidungen teilhaben sollten,
präsentierte. Danach war Manfred Scholle an der Reihe, der von
einem Projekt berichtete, bei dem Kinder an Verkehrsplanungen an einer
Unfallstelle beteiligt wurden, woraufhin die Unfallrate um 82% zurückging.
Insgesamt ging es in den Diskussionen und Vorträgen hauptsächlich
um den Bau von Spielplätzen oder kindergerechtem Wohnraum.
Neben soviel Bauplanung gab es aber zum Glück auch mehrere richtig
gute Beiträge, u.a. von unserem Rechtsanwalt Peter Merk und von Dorle
Marx, der Kinderbeauftragten der SPD-Fraktion, die u.a. auch für das
Kinderwahlrecht eintrat. Sie betonte, Kinder müßten auch das
Recht auf Mitbestimmung haben, wenn das Ergebnis den Erwachsenen nicht
gefällt.
Zwischendurch wurden wir übrigens immer wieder von einem reichlich
flachen Kinderchor besungen, der nahezu die Hälfte aller Anwesenden
dazu nötigte, seine CD zu kaufen.
Außer den vielen Vorträgen und dem Kinderchor gab es auch
noch einen "Markt der Möglichkeiten".
Am 2. Tag standen Workshops auf dem Programm. Wir hatten uns für
einen Workshop mit dem Thema Kinderparlamente etc. entschieden. Ein Junge,
der vier Jahre lang versuchte, einen Radweg durchzusetzen, war mit 15 Jahren
so deprimiert, daß er in die CSU-Jugendorganisation eintrat. Alles
in allem hat mir die Tagung trotz aller Kritik gut gefallen.
Annebel Ugrinsky
Jugendhearing in Kassel
Am 7.12. letzten Jahres fuhren wir, einige von KRÄTZÄ, nach Kassel.
Anlaß war ein Jugendhearing der Grünen, welches aus drei Diskussionsrunden
bestand. Die dritte Diskussionsrunde war für uns (dachten wir jedenfalls)
die wichtigste, da dort die Frage des Wahlalters diskutiert werden sollte.
Matthias Berniger, jüngster Bundestagsabgeordneter, war auch da.
Er hatte in einem mehrseitigen Diskussionspapier mal wieder das Wahlrecht
ab 16 befürwortet, und zwar großenteils unter Verwendung von
Argumenten die genauso auf das Wahlrecht für Unter16jährige zutreffen.
Das einzige, was er sonst noch zu bieten hatte, war, daß das Wahlrecht
ab 16 "praktikabel" sei, andernfalls stelle man sich mal die Scharen von
Babies im Wahllokal vor!
Wir traten natürlich mal wieder mit der unverschämten Behauptung
auf, daß jeder der möchte (also auch die Kleinen) wählen
sollen dürfe. Zwei bündnisgrüne Mitglieder des Hessischen
Landtages waren auch anwesend. Eines war Ronja Perschbacher, die das Wahlrecht
ohne Altersgrenze eigentlich ja auch gut findet, aber sich lieber für
ab 16 einsetzt, weil das eher durchgesetzt werden könne.
Unsere Argumente zur Abschaffung der Altersgrenze durften wir (nachdem
wir in eine Diskussionsliste eingetragen worden waren) in ca. einer Minute
darlegen, was gerade mal reichte, Belächeln und Unverständnis
hervorzurufen bzw. wurde bei dem Schnellverfahren gar nicht zugehört.
Von dem Thema wurde auch schnell abgelenkt, so fing eine Frau plötzlich
von Frauenquoten an zu sprechen... Die richtigen Diskussionen fingen erst
nach der eigentlichen Veranstaltung an, waren aber auch nicht sehr erfolgreich.
Ein besonderes Erlebnis bot uns das ETAP-Hotel - unsere Unterkunft!
Das viele schöne Plastik und vor allem die nicht gerade geräumigen
Klos bereiteten uns so manches Lachen.
Was an dieser Fahrt noch einen gewissen Wert hatte, war die Kommune
Niederkaufungen, die wir auf unserem Rückweg am Sonntag besuchten.
Hier war die Erziehung der Kinder anders geregelt als in normalen Durchschnittsfamilien.
Jedes Kind hatte das Recht, außer den Eltern noch andere Bezugspersonen
zu haben und durfte - wenn es wollte - von zu Hause ausziehen. Außerdem
hatten die Kinder die Chance, in eine "Freie Schule" zu gehen.
Bei "schöner" Marianne-Rosenberg-Musik in einer Kneipe Königlutters
aßen wir unser Henkersmahl und fuhren dann nach Berlin zurück.
Maria Henkes, Lisa Soika und Martin Wilke
2. Tour in Niedersachsen
Alles fing an einem Sonntag an, es war der 19.1. und sehr, sehr früh!
Aus Osten und Westen trafen sich 6 Zänker und ein Mike (ein Mensch
über 18) am Alex. Um 6.30 Uhr fuhren wir, mit einem Mitfahrerminus
(d.h. mit einer Person zuwenig), Richtung Ammerland/Cloppenburg (Niedersachsen)
los. Eine Treffpunktschwierigkeit mit der letzten Zänkerin kostete
uns 1½ Stunden, und in Bremen machten einige (viele) von uns eine
Fehlinvestition von 3,60 DM, weil Mike auf seiner Bratwurst bestand und
uns (erstmal) ansteckte.
Zum Glück kamen wir dann bald in Westerstede an. Wir warteten
kurz auf Detlev Jahnke, den Mitarbeiter des Wahlkreisbüros der Grünen
Bundestagsabgeordneten Waltraud Schoppe, der auch dieses Jahr einiges organisiert
hatte wie die Unterkunft und Diskussionstermine in verschiedenen Schulen.
Nachmittags gab es eine Diskussionsrunde im Kreishaus Westerstede mit
dem Kreisverband der Grünen / Ammerland über das bereits traditionsreiche
Thema Kinderwahlrecht. Einige waren anfangs kritisch und hatten Zweifel,
aber den einigen "verdrehten wir bald wieder den Kopf". Nach der allgemeinen
Diskussion - Wahlalter abschaffen? - entstanden noch einzelne Gruppen,
die das (und anderes) weiter besprachen. Bei dieser Gelegenheit verteilten
wir wieder unser mitgebrachtes Informationsmaterial und verkauften Regenbögen.
Abends, nachdem wir die nette Unterkunft mit dem blöden Zivi kennengelernt
hatten, fuhren wir nach Oldenburg (nicht ohne vorher das Klo eines anarchistischen
Ladens zu testen) und vergnügten uns in der Stadt bis wir die 7. Zänkerin
vom Bahnhof abholten.
Nach einer für die meisten schlaflosen Nacht, ging es am Montag
richtig los, in einer Haupt- und Realschule. 1½ Stunden sprechen
wir mit Jugendlichen über das Wahlrecht. Dabei heraus kamen teilweise
nachdenkliche und sogar einige überzeugte Schüler. Mit dem Gedanken,
die Schulpflicht in ein Bildungsrecht umzuwandeln, konnte sich merkwürdigerweise
kaum einer anfreunden; trotzdem waren wir ganz zufrieden, daß bei
uns revolutionären Spinnern anscheinend doch noch ein bißchen
Verstand vorhanden sein mußte.
Um so deprimierender war der 2. Versuch in einer Berufsbildenden Schule.
"Da wählen ja dann alle Kinder so 'ne Partei, die sich für die
Umwelt einsetzt und so und ich kriege keine Arbeit. Also, Umwelt steht
doch an letzter Stelle (also auch die Kinder, oder?), ich will doch nicht
wegen der Kinder auf der Straße sitzen!" Ansonsten hingen alle in
den Stühlen oder über ihrer Uhr und machten auf mich einen nicht
sehr aufgeschlossenen, sondern arroganten, desinteressierten Eindruck.
Lediglich einer kam nach dem Gespräch noch zu uns, die anderen latschten
oder stöckelten bei Beginn der Pause aus dem von unseren Argumenten
verseuchten Raum.
Mit einem Stadtbummel in Leer erholten wir uns am Nachmittag. Abends
gab es dann noch eine chaotische Aktion. Wir hatten einige der Schüler
aus der Haupt- und Realschule zu einem Nicaragua-Diashow-Abend eingeladen,
die leider wegen eines halbkaputten Diaprojektors nicht sehr professionell
rüberkam. Nach dem diese Aktion (Stunden später...) gelaufen
war (genau wie die Diskussion über Triebtäter und deren Bestrafungen),
setzten wir uns vor die Glotze und sahen uns den Film "Leerjare" an (Kommt
1999 im Fernsehen!).
Die letzte Schule - ein Gymnasium - besuchten wir am Dienstagvormittag.
Immer wenn's heiß und interessant wurde, quakte ein Lehrer dazwischen
und stellte zum Teil ziemlich unqualifizierte Fragen. "Ähm, ... darf
ich mal fragen, von was für Schulen ihr kommt, ... nur mal so" (jaja,
ganz nebenbei, natürlich!). Danach versuchte mensch die Diskussion
über das Wahlrecht (nicht Pflicht - bei vielen besteht da noch die
Verwechslungsgefahr) wieder instand zu setzen. DIe Reaktionen waren in
dieser Gruppe ziemlich in der Mitte geteilt. Wenige blieben in der Pause
noch sitzen, bis sie von dem Lehrer zum Unterricht animiert wurden: "sonst
kommt ihr vielleicht noch zu spät .....?!" Na gut.
Dann fuhren wir nach Diepholz, unserer letzten Station und aßen
in einem Restaurant. Zwei bis drei Journalisten saßen dabei und hörten
zu, wie wir zum 1000sten Male und mit vollem Mund (und Pappdeckelhäuschen
bauend) die Forderungen und Aktionen unserer Gruppe - wie? Krässe?
- wiederkäuend erklärten.
Zum Schluß trafen wir uns mit einigen wenigen (zwei), die letztes
Jahr ihr Interesse am "Wahlrechtkampf" bekundet hatten. Eine ziemlich stille
(aber nicht unfreundliche) Angelegenheit.
Eine halbe Stunde nach dem endgültigen Aufbruch nach Berlin raste
Detlev noch mal wie ein Verrückter an uns vorbei und schoß aus
seinem Auto eine Rakete zum Abschied ab. Ich denke, das ist ein schöner
Schluß, oder?
Die Wahlrechtsforderung wird jedenfalls nicht vergessen. Wir werden
weiter machen (s. Regenbogen Nr. 19).
Maria Henkes
45-min Doku-Film
über K.R.Ä.T.Z.Ä.
28. April 1997
21 Uhr im WDR
K.R.Ä.T.Z.Ä.-Veranstaltungen in Regenbogen Nr. 18 (2/96)
K.R.Ä.T.Z.Ä.-Veranstaltungen in Regenbogen Nr. 19 (3/96)
K.R.Ä.T.Z.Ä.-Aktionen in Regenbogen Nr. 21 (2/97)
K.R.Ä.T.Z.Ä.-Aktionen in Regenbogen Nr. 22 (1/98)
K.R.Ä.T.Z.Ä.-Aktionen in Regenbogen Nr. 23 (2/98)
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