KinderRächtsZeitung Regenbogen
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Ausgabe 18

Editorial
Das Restaurant am Ende des Universums [Fortsetzung von "Per Anhalter durch die Galaxis"]
Verfassungsbeschwerde nicht angenommen
Lernen trotz Schule
Eine Reise
Über Janusz Korczak
Geschlechterdiskussion [über "Mythos Männermacht"]
Lesermeinung
Kinderarbeit
Gefangen Teil 2
Aufgelesen
An-, Ab- und Aussichten [kurze Kommentare zu kinderrechtlichen/politischen Themen]
HÖRmal!
Schulpflicht-wozu?
Schulbücher [drei Bücher über Schule]
Der Roboter
K.R.Ä.T.Z.Ä.-Veranstaltungen
Horoskop
Schulbrief
Zum Schluß

Cover Ausgabe 18
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K.R.Ä.T.Z.Ä.-Veranstaltungen


Tour in Niedersachsen

(jf/sh) In den Winterferien fuhren ein paar KinderRÄchTsZÄnker auf Einladung der Bundestagsabgeordneten Waltraud Schoppe (Die Grünen) nach Niedersachsen, um über unsere Forderung "Wahlrecht ohne Altersbegrenzung" zu diskutieren. Unserer Reise war ein Treffen mit mehreren grünen Abgeordneten in Berlin vorrausgegangen. Und weil wir so interessant waren, wurden wir kurzerhand ins kleine, aber feine Städtchen Syke eingeladen. Der liebste Mensch der Welt, Detlef Jahnke, der nebenbei auch noch Leiter des Wahlkreisbüros von Frau Schoppe ist, organisierte verschiedene Diskussionstermine (z.B. in Schulen). Nachdem sich die Schüler anfangs an den Kopf faßten, wenn wir "Wahlrecht ab null" forderten, wurden wir nach anderthalb- bis zweistündiger Diskussion gefragt, wie man uns denn unterstützen könne. Und es boten sich sogar Jugendliche an, die in Niedersachsen gegen die neue Verfassung klagen wollten, welche mit dem Wahlalter schon auf 16 Jahre heruntergegangen ist. Wir staunten nicht schlecht, als wir in den meisten Klassen über die Hälfte für unsere Forderung gewinnen konnten. Sogar in einer Berufsschulklasse mit angehenden Erzieherinnen trafen wir auf Zustimmung, als es um das Thema "Schulpflicht in Bildungsrecht umwandeln" ging. Nach 4 Tagen Reden über Kinderrechte kamen wir endlich zufrieden und erschöpft in Berlin an.


Über das System Schule:

Über 1000 Lehrer wollten in Heidelberg "die Schule Neu erfinden"

Beschäftigte aus Schule, Jugendhilfe und Psychiatrie haben sich vom 6. - 9. März in der Heidelberger Kongreßhalle unter dem Motto "Die Schule neu erfinden" versammelt. Nicht gekommen waren Jugendliche (um die es eigentlich ging), weil sie gar nicht eingeladen wurden. Wir hatten uns bei den Veranstaltern gemeldet - mit dem Erfolg, daß ein Erwachsener und ein Jugendlicher (Mike und Benni) von K.R.Ä.T.Z.Ä. am Abschlußpodium teilnehmen durften.
Veranstaltet vom Heidelberger Institut für systemische Forschung ging es auf dem Kongreß um die Schlagwörter syste-misch und konstruktivistisch. Was in manchen Vorträgen wie ein neues Rezeptbuch ("wie mach ich´s richtig?") verkündet wurde, kommt diesmal nicht aus der Welt der Pädagogik, sondern der Gehirnforschung. Konstruktivisten gehen davon aus, daß sich jeder Mensch (bzw. jedes Gehirn) seine eigene Welt erschafft. Wir nehmen die Dinge nicht so wahr, wie sie sind, sondern wie wir sie uns machen. Die Kritik des Konstruktivismus an der Schulwirklichkeit ist demnach, daß die vielen verschiedenen Welten der Schüler nicht beachtet werden. Alle müssen sich an einer festgelegten Weltsicht orientieren und ihre eigene wird daran auch noch gemessen.
"Systemisch" heißt nichts anderes als daß alles miteinander zusammenhängt. Die Störung im Unterricht verursacht nicht allein der Störer, sondern ebenso das System, indem ein solches Verhalten als Störung empfunden wird. Wie bei einem Perpetuum Mobile hat jede Bewegung Auswirkung auf alle weiteren Bestandteile des zusammenhängenden Systems. Ein sogenanntes "krankes" Verhalten kann eine völlig gesunde Reaktion auf eine kranke Umwelt sein.
"Eine Schulstunde ist eine Zumutung!" hörten wir in einem Vortrag. Als Beispiel, wieso ein soziales System Schule organisiert werden könnte, wurde der Begriff "Geselligkeit" genannt. In höfischen Gesellschaften vor 200 Jahren sei es verpöhnt gewesen, jemandem ein Gespräch aufzwingen zu wollen. Das Thema konnte ohne Begründung gewechselt werden, wenn es an Reiz verloren hatte.Leute, die belehrend waren, wurden gar nicht erst zur Geselligkeit eingeladen. Es gehörte zum Taktgefühl, auf die Ausführungen des Gesprächspartners einzugehen, selbst wenn darin Ungereimtheiten vorkamen. Beliebt waren Witz und Originalität. Das einfache Wiederholen langweilte.
Da saßen wir neben tausend Zuhörern. Waren sich denn alle so einig? Die K.R.Ä.T.Z.Ä.-Plakate "Was wir an der Schule falsch finden" fanden reißenden Absatz. Nicht ein Wörtchen der Kritik an der fundamentalen Schulkritik. Eher ein "Ja, genau richtig!". Warum ändert sich also nichts? Es sind Massen, diedie Räder des Getriebes weiterlaufen lassen. Was können einzelne da bewirken?
Ist die Schule noch mehr als eine Arbeitbeschaffungsmaßnahme für Lehrer? Welchen gesellschaftlichen Auftrag erfüllt sie? Um solche Fragen ging es auf dem Abschlußplenum. Überrascht wurden wohl alle vom unternehmerischen Durchblick eines Referenten der Mercedes Benz AG: "Was tut denn die Schule für ihre Kunden?" fragte er. Die Schule könne sich eine Scheiben von den Mercedes-Kriterien abschneiden: "Absolute Kundenorientierung, Eigenverantwortung (Dezentralisierung), Mitarbeiterorientierung" seien der Schlüssel zum Erfolg und zur Sicherung von Arbeitsplätzen. Nachdem auch noch die undemokratischen Verhältnisse in der Schule und die Unsinnigkeit, unter Zwang lernen zu müssen, von allen bestätigt wurden, ging jeder wieder nach Hause. Eigentlich wissen wir doch schon alles. Wenn sich was verändern soll, können wir nicht warten, bis es andere für uns tun.

Christoph Klein

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