KinderRächtsZeitung Regenbogen
c r e a t i v · u n a b h ä n g i g · u n b ä n d i g
 | Start | Ausgaben | Kontakt |

<< zurück zur
Ausgaben-Übersicht


Ausgabe 20

Editorial
Macht's gut und danke für den Fisch [3. Fortsetzung von "Per Anhalter durch die Galaxis"]
Chemie-Verweigerung
Gioconda Belli: Bewohnte Frau [Buchrezension]
Nicotapias Kolumne
Verfassungsfeindlich zum Wahlgang [Wortsalat aus dem FAQ zum Wahlrecht]
Regenbogen im Internet
Neues über K.R.Ä.T.Z.Ä. im Internet
Spezial-Entschuldigungszettel
An-, Ab- und Aussichten [kurze Kommentare zu kinderrechtlichen/politischen Themen]
K.R.Ä.T.Z.Ä.-Aktionen
Was ist antipädagogische Aufklärung?
Schulversäumnisanzeigen
Informationen für Minderjährige [ehem. "Zum Schluß"]

Cover Ausgabe 20
.

Buchrezension: "Was ist antipädagogische Aufklärung?" von Ekkehard von Braunmühl

Wenn eine Patience aufgeht, freut man sich darüber. Dies ist bei Jostein Gaarders "Kartengeheimnis" geschehen und macht es zu einem höchstinteressanten, spannenden Roman. Die Lüftung des Kartengeheimnisses von Dr. Hubertus von Schönebeck ist nicht minder spannend und interessant. Seine Karten sind gezinkt und beim Betrachten der Rückseite bleibt einem die Freude über das geniale Auflösen seines Kartengeheimnisses, das von Braunmühl in seinem neuen Buch vorführt, im Halse stecken.

Antipädagogik war 1975 ein Buch - eine Gegentheorie zu der Behauptung, man müsse Kinder erziehen. Sie war eine Analyse der pädagogischen Einstellung, die von Mißtrauen, Besserwisserei und letztlich Menschenfeindlichkeit geprägt war (und ist). Sie war eine Forderung, Kinder als gleichberechtigte Menschen zu akzeptieren, die nicht verbessert, bekehrt, erzogen werden müssen, sondern denen man Respekt, Vertrauen, Toleranz und Unterstützung bieten sollte.
Und die seriöse Antipädagogik hat sich weiterentwickelt, hat sich an Eltern gewandt, um ihnen beim "Ablegen des Erziehungsanspruchs" zu helfen ("Zeit für Kinder", 1978), hat sich von ihrem bissigen Stil verabschiedet, wurde zu einer antipädagogischen Aufklärung - zwischenzeitlich zu einer Antipsychopädagogik ("Zur Vernunft kommen", 1990) -, wurde eigentlich immer besser, differenzierter und seelenfreundlicher - gerade auch für Erzieher. Und schließlich wurde sie immer bedeutungsloser in der Öffentlichkeit. 1997 schreibt von Braunmühl: "Viele Leute sagen: >Antipädagogik? Kannst du vergessen!< Und ich verstehe sie gut."

Parallel zu der Entwicklung der seriösen Antipädagogik entstand der "Förderkreis Freundschaft mit Kindern e.V." unter Leitung von Dr. von Schönebeck, der sich den Begriff Antipädagogik zu eigen und durch zahlreiche Vorträge und Seminare auf sich aufmerksam gemacht hatte. Der Verein verstand aber unter Antipädagogik weit mehr als nur eine Absage an die Pädagogik - eher vertrat er eine neue "Lebensphilosophie", nach der es keine Wahrheit mehr gibt und man keine Fehler machen kann, alles Existierende nur dann existiert, wenn es jemand subjektiv so empfindet, wonach z.B. Gewalt gar nicht oder nur dann existiert, wenn es jemand so empfindet und derjenige, der es empfindet ist dafür auch noch veranwortlich, weil schließlich er es so empfindet. Außerdem seien alle Menschen immer für sich "selbstverantwortlich", ein Begriff, mit dem v. Schönebeck den Unterschied zwischen den Motiven und den Taten verwischt, wegzaubert.
Manche dieser Positionen werden in manchen Philosophenkreisen (z.B. bei den "Radikalen Konstruktivisten") ernsthaft diskutiert. Denkt man aber zu Ende - und das führt uns von Braunmühls kritischer Verstand auf geniale Weise vor - fällt das Kartenhaus zusammen: Dann stimmen plötzlich die Gleichungen Selbstverantwortung = Verantwortungslosigkeit, Subjektivität = geistige Verwahrlosung, Achtung vor der inneren Welt = Ignoranz gegenüber der Freiheit der anderen, Sozialität = asozialer Narzißmus. Aber unabhängig vom Streit der Philosophen, muß man von Braunmühl mindestens in einem rechtgeben: daß hier seit Jahren unter dem Namen der Antipädagogik etwas debattiert wurde, was da nicht hereingehört und was ihrem ursprünglichen Ansatz womöglich sehr geschadet hat.

Das neue Buch von Ekkehard von Braunmühl befaßt sich mit spannenden philosophischen Fragen und entschlüsselt ein Kartengeheimnis. Außerdem und vor allem bietet es für alle interessierten Menschen weitere gute und ernsthafte Argumente für die Abschaffung der Erziehung. Jeder, der dieses Buch gelesen hat, wird einsehen müssen, daß antipädagogische Aufklärung eine hochseriöse, mindestens aber ernstzunehmende, eine notwendige, wichtige, zumindest aber eine im Grunde richtig gedachte Angelegenheit ist. Das Buch kostet nur 16 DM, hat knapp 150 Seiten und ist im Buchhandel erhältlich.

Wir werden im nächsten Regenbogen vielleicht noch etwas näher auf die angesprochenen inhaltlichen Auseinandersetzungen eingehen.

Benjamin Kiesewetter


Erhältlich im Buchhandel:

Ekkehard von Braunmühl: Was ist antipädagogische Aufklärung? Mißverständnisse, Mißbräuche, Mißerfolge der radikalen Erziehungskritik, KID-Verlag, Bonn 1997, 16 DM.

Ekkehard von Braunmühl: Antipädagogik - Studien zur Abschaffung der Erziehung, Beltz Verlag, Weinheim 1975, 8. Auflage 1993

Ekkehard von Braunmühl: Zeit für Kinder, Theorie und Praxis von Kinderfeindlichkeit, Kinderfreundlichkeit und Kinderschutz, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a.M., 1978, 16. Auflage 1995

Zu bestellen bei Annette Böhm, Hülchrather Str. 3, 50670 Köln:

A) Ekkehard von Braunmühl: Zur Vernunft kommen - Eine Anti- Psychopädagogik (ursprünglich Beltz Verlag, Weinheim 1990)

B) Annette Böhm und Ekkehard von Braunmühl: Liebe ohne Hiebe - Der Weg zur harmonischen Familienbeziehung (ursprünglich Patmos Verlag, Düsseldorf, 1993)

C) Annette Böhm und Ekkehard von Braunmühl: Gleichberechtigung im Kinderzimmer - Der vergessene Schritt zum Frieden (ursprünglich Patmos- Verlag, Düsseldorf 1994)

(A= 23,- , B= 20,- , C= 20,- A&B oder B&C= 38,- B&C= 30,- ,A&B&C= 53,-)

.