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Ausgabe 19
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Zensuren? - Nein danke!
Zensuren sind angeblich dazu da, die Leistung der Schüler zu
bewerten. Sie dienen aber auch der Erpressung und Einschüchterung.
Eine Zensur kann (wenn überhaupt) nur den augenblicklichen Leistungsstand
widergeben. Doch was sagt sie noch nach einem Monat, einem Jahr oder nach
zehn Jahren aus? Vielleicht hat man bis dahin längst aus den Fehlern
gelernt oder aber man hat schon wieder alles vergessen. Aufgrund von Fehleinschätzungen,
durch die ein Schüler dann eventuell sitzenbleibt oder einen numerus
clausus nicht erreicht, kann ein Lehrer dem Schüler praktisch die
ganze Zukunft verbauen. Nur weil sich eine Fachlehrerkonferenz bei der
Ab... äh Bewertung einig ist, heißt das ja noch nicht, daß
ihre Schlußfolgerung die einzig richtige wäre und die Fachlehrerkonferenz
unfehlbar ist. Es kommt des öfteren vor, daß ein Lehrerwechsel
eine Zensurenveränderung um bis zu zwei Noten erzeugt, ohne daß
der Schüler dafür irgendetwas getan hat, seine Leistung offenbar
unverändert geblieben ist. Das kommt vermutlich z.T. daher, daß
jeder unter Bezeichungen wie "sehr gut", "gut", "befriedigend"
etc. etwas anderes verstehen kann. Die Meinung des Lehrers ist auch nur
die Meinung eines Menschen, die einem eigentlich ja egal sein könnte.
Aber wegen des Abhängigkeitsverhältnisses ist das dann doch leider
nicht so leicht.
Warum muß man ständig andere bewerten, sie in "dumm"
und "klug", in "faul" und "fleißig"
einteilen? Das fiese ist, daß der Schüler praktisch keine Chance
hat, der Zensierung zu entkommen. Er ist eigentlich zu keinem Zeitpunkt
seines Schulaufenthalts vor Zensuren und Bewertung sicher. Außerdem
ist doch schon seit langem bekannt, daß Leistungsdruck Denkblockaden
aufbauen kann, die das Lernen zerstören.
Es ist jedenfalls klar, daß Mißerfolge den Lernprozeß
be- oder sogar verhindern und allgemein sehr hemmend wirken. Außerdem
nützen schlechte Zensuren weder dem Lehrer noch dem Schüler.
Zudem ist keinesfalls gewährleistet, daß man durch Tests und
Arbeiten tatsächlich ermitteln kann, was der Schüler weiß.
Bei Arbeiten steht man gewöhnlich unter starkem Zeit- und Erfolgsdruck.
Außerdem sind Aufgabenstellungen oft so ungünstig formuliert,
daß man Sachen nicht hinschreibt, die man zwar genau weiß,
von denen man nur nicht weiß, daß der Lehrer wissen will, ob
man sie weiß. Es kommt sogar vor, daß man bestraft wird, wenn
man mehr aufschreibt als der Lehrer haben will.
In der Tat geht es doch oft nur darum, zu sagen oder zu schreiben, was
der Lehrer wissen will, egal ob das nun wichtig und überhaupt richtig
ist. Viele Sachen kann man gar nicht bewerten, jedenfalls nicht objektiv.
Wer entscheidet denn, ob z.B. ein Bild schön oder ein Aufsatz spannend
ist? Manche Lehrer rechnen es Schülern negativ an, wenn sie anderer
Meinung sind als der Lehrer, was allein schon wegen der Meinungsfreiheit
nicht sein darf. Ein weiteres Problem ist, daß der Lehrer offenbar
in jedem Einzelfall selbst entscheiden kann, welche Teilbereiche und Zensuren
wie wichtig sind und welches Gewicht sie haben. Dadurch kann er das Endergebniss
oftmals noch ganz schön verbiegen und somit seine Sympathien und Antipathien
Schülern gegenüber an ihnen auslassen.
Aber es kommt eigentlich noch schlimmer, denn auch Sachen, die mit dem
Fach nichts zu tun haben gehen in den Zensurenterror mit ein! Beispielsweise
werden spätestens ab der 11. Klasse in allen Fächern für
Rechtschreibfehler Punkte abgezogen. Dadurch sind schon einige Schüler
sitzengeblieben oder haben ihr Abi nicht geschafft. Was hat Rechtschreibung
denn bitte mit Mathe zu tun? Dazu kommen noch Sechsen für vergessene
Hausaufgaben (Auf vielleicht 30 gemachte Hausaufgaben wird nicht geachtet,
aber auf eine vergessene). Des weiteren vergeben manche Lehrer für
äußerst kurze Nichtmitarbeitsphasen, die wegen der häufigen
Langenweile sehr verständlich sind, Sechsen, während man gute
Zensuren nur für wesentlich längere Zeitabschnitte bekommen kann.
Da Schülerleistungen eben sehr auslegbar und interpretierbar, also
äußert leicht manipulierbar sind, kann der Lehrer praktisch
Zensuren relativ willkürlich geben. Notfalls
findet sich fast immer ein Grund zur Rechtfertigung. Somit können
Schüler durch Lehrer sehr leicht erpreßt oder eingeschüchtert
werden.
Da es - wie ja erwähnt - auch Schüler gibt, die dennoch, aus
welchen Gründen auch immer, bewertet werden wollen, sollte man Zensuren
m.E. nicht total abschaffen, sondern die Schüler sollten sie nur auf
absolut freiwilliger Basis bekommen. Das heißt auch, daß man
von Fach zu Fach und von Fall zu Fall entscheiden kann, ob man Zensuren
haben will. Ich denke, es ist wichtig, daß den Zensuren die Bedeutung,
z.B. für die Versetzung, genommen wird. So wie heutzutage auch viele
Schüler einfach nur mal wissen wollen, welche Note sie denn bekommen
hätten, ohne daß sie sie nun unbedingt tatsächlich haben
wollen.
Aber wenn man die Schulpflicht abschaffen und die Schule so ändern
würde, wie im vorigen Regenbogen (2/96: "Schulpflicht
- wozu?") beschrieben, dann hätte sich das Problem mit dem
Zensurenterror vermutlich von ganz alleine gelöst.
Martin Wilke
Zensuren abschaffen hilft Leben retten!
Wie einem Bericht der BRAVO vom 18. Juli 1996 zu entnehmen ist, hat
sich der 13jährige Sebastian wegen einer 6 in einer Mathearbeit erschossen.
Es war bereits seine zweite 6 in dem Halbjahr, und der Lehrer hatte die
Arbeit einem Mitschüler mitgegeben, der sie Sebastians Vater geben
sollte, da der Lehrer kein Vertrauen zu Sebastian hatte. Selbstmord ist
nach Autounfällen die zweithäufigste Todesursache bei Jugendlichen.
Die BRAVO schrieb dazu: "Im letzten Jahr nahmen sich 341 Jugendliche
das Leben. Die Hauptgründe: Liebeskummer, Ärger mit den Eltern,
Leistungsdruck in der Schule und schlechte Noten. Besonders
vor den Zeugnissen sehen viele Kids, deren Versetzung gefährdet ist,
keinen Ausweg mehr und bringen sich um."
K.R.Ä.T.Z.Ä.-Schulplakat
"Was wir an der Schule falsch finden"
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