KinderRächtsZeitung Regenbogen
c r e a t i v · u n a b h ä n g i g · u n b ä n d i g
 | Start | Ausgaben | Kontakt |

<< zurück zur
Ausgaben-Übersicht


Ausgabe 19

Editorial - Kinder an die Leine!
Jugendgewalt [Buchrezension]
Das Leben, das Universum und der ganze Rest [2. Fortsetzung von "Per Anhalter durch die Galaxis"]
Zensuren? - Nein danke!
Zensurenwillkür: Ein konkreter Fall
Kinderwahlrecht - Der 2. Versuch
K.R.Ä.T.Z.Ä. im Internet
K.R.Ä.T.Z.Ä. in Nicaragua
Kinderarbeit in Nicaragua
Abschlußerklärung von Estelí
Situation Nicaraguas
An-, Ab- und Aussichten [kurze Kommentare zu kinderrechtlichen/politischen Themen]
Tocotronic
Aufgelesen: Desert Blues
Neue Anschaffung [Autos/Kinder]
K.R.Ä.T.Z.Ä.-Veranstaltungen
Umfrage
Lernen trotz Schule
Zum Schluß

Cover Ausgabe 19
.

Zensuren? - Nein danke!

Zensuren sind angeblich dazu da, die Leistung der Schüler zu bewerten. Sie dienen aber auch der Erpressung und Einschüchterung.

Eine Zensur kann (wenn überhaupt) nur den augenblicklichen Leistungsstand widergeben. Doch was sagt sie noch nach einem Monat, einem Jahr oder nach zehn Jahren aus? Vielleicht hat man bis dahin längst aus den Fehlern gelernt oder aber man hat schon wieder alles vergessen. Aufgrund von Fehleinschätzungen, durch die ein Schüler dann eventuell sitzenbleibt oder einen numerus clausus nicht erreicht, kann ein Lehrer dem Schüler praktisch die ganze Zukunft verbauen. Nur weil sich eine Fachlehrerkonferenz bei der Ab... äh Bewertung einig ist, heißt das ja noch nicht, daß ihre Schlußfolgerung die einzig richtige wäre und die Fachlehrerkonferenz unfehlbar ist. Es kommt des öfteren vor, daß ein Lehrerwechsel eine Zensurenveränderung um bis zu zwei Noten erzeugt, ohne daß der Schüler dafür irgendetwas getan hat, seine Leistung offenbar unverändert geblieben ist. Das kommt vermutlich z.T. daher, daß jeder unter Bezeichungen wie "sehr gut", "gut", "befriedigend" etc. etwas anderes verstehen kann. Die Meinung des Lehrers ist auch nur die Meinung eines Menschen, die einem eigentlich ja egal sein könnte. Aber wegen des Abhängigkeitsverhältnisses ist das dann doch leider nicht so leicht.
Warum muß man ständig andere bewerten, sie in "dumm" und "klug", in "faul" und "fleißig" einteilen? Das fiese ist, daß der Schüler praktisch keine Chance hat, der Zensierung zu entkommen. Er ist eigentlich zu keinem Zeitpunkt seines Schulaufenthalts vor Zensuren und Bewertung sicher. Außerdem ist doch schon seit langem bekannt, daß Leistungsdruck Denkblockaden aufbauen kann, die das Lernen zerstören.
Es ist jedenfalls klar, daß Mißerfolge den Lernprozeß be- oder sogar verhindern und allgemein sehr hemmend wirken. Außerdem nützen schlechte Zensuren weder dem Lehrer noch dem Schüler. Zudem ist keinesfalls gewährleistet, daß man durch Tests und Arbeiten tatsächlich ermitteln kann, was der Schüler weiß. Bei Arbeiten steht man gewöhnlich unter starkem Zeit- und Erfolgsdruck. Außerdem sind Aufgabenstellungen oft so ungünstig formuliert, daß man Sachen nicht hinschreibt, die man zwar genau weiß, von denen man nur nicht weiß, daß der Lehrer wissen will, ob man sie weiß. Es kommt sogar vor, daß man bestraft wird, wenn man mehr aufschreibt als der Lehrer haben will.
In der Tat geht es doch oft nur darum, zu sagen oder zu schreiben, was der Lehrer wissen will, egal ob das nun wichtig und überhaupt richtig ist. Viele Sachen kann man gar nicht bewerten, jedenfalls nicht objektiv. Wer entscheidet denn, ob z.B. ein Bild schön oder ein Aufsatz spannend ist? Manche Lehrer rechnen es Schülern negativ an, wenn sie anderer Meinung sind als der Lehrer, was allein schon wegen der Meinungsfreiheit nicht sein darf. Ein weiteres Problem ist, daß der Lehrer offenbar in jedem Einzelfall selbst entscheiden kann, welche Teilbereiche und Zensuren wie wichtig sind und welches Gewicht sie haben. Dadurch kann er das Endergebniss oftmals noch ganz schön verbiegen und somit seine Sympathien und Antipathien Schülern gegenüber an ihnen auslassen.
Aber es kommt eigentlich noch schlimmer, denn auch Sachen, die mit dem Fach nichts zu tun haben gehen in den Zensurenterror mit ein! Beispielsweise werden spätestens ab der 11. Klasse in allen Fächern für Rechtschreibfehler Punkte abgezogen. Dadurch sind schon einige Schüler sitzengeblieben oder haben ihr Abi nicht geschafft. Was hat Rechtschreibung denn bitte mit Mathe zu tun? Dazu kommen noch Sechsen für vergessene Hausaufgaben (Auf vielleicht 30 gemachte Hausaufgaben wird nicht geachtet, aber auf eine vergessene). Des weiteren vergeben manche Lehrer für äußerst kurze Nichtmitarbeitsphasen, die wegen der häufigen Langenweile sehr verständlich sind, Sechsen, während man gute Zensuren nur für wesentlich längere Zeitabschnitte bekommen kann. Da Schülerleistungen eben sehr auslegbar und interpretierbar, also äußert leicht manipulierbar sind, kann der Lehrer praktisch Zensuren relativ willkürlich geben. Notfalls findet sich fast immer ein Grund zur Rechtfertigung. Somit können Schüler durch Lehrer sehr leicht erpreßt oder eingeschüchtert werden.
Da es - wie ja erwähnt - auch Schüler gibt, die dennoch, aus welchen Gründen auch immer, bewertet werden wollen, sollte man Zensuren m.E. nicht total abschaffen, sondern die Schüler sollten sie nur auf absolut freiwilliger Basis bekommen. Das heißt auch, daß man von Fach zu Fach und von Fall zu Fall entscheiden kann, ob man Zensuren haben will. Ich denke, es ist wichtig, daß den Zensuren die Bedeutung, z.B. für die Versetzung, genommen wird. So wie heutzutage auch viele Schüler einfach nur mal wissen wollen, welche Note sie denn bekommen hätten, ohne daß sie sie nun unbedingt tatsächlich haben wollen.

Aber wenn man die Schulpflicht abschaffen und die Schule so ändern würde, wie im vorigen Regenbogen (2/96: "Schulpflicht - wozu?") beschrieben, dann hätte sich das Problem mit dem Zensurenterror vermutlich von ganz alleine gelöst.

Martin Wilke


Zensuren abschaffen hilft Leben retten!

Wie einem Bericht der BRAVO vom 18. Juli 1996 zu entnehmen ist, hat sich der 13jährige Sebastian wegen einer 6 in einer Mathearbeit erschossen. Es war bereits seine zweite 6 in dem Halbjahr, und der Lehrer hatte die Arbeit einem Mitschüler mitgegeben, der sie Sebastians Vater geben sollte, da der Lehrer kein Vertrauen zu Sebastian hatte. Selbstmord ist nach Autounfällen die zweithäufigste Todesursache bei Jugendlichen. Die BRAVO schrieb dazu: "Im letzten Jahr nahmen sich 341 Jugendliche das Leben. Die Hauptgründe: Liebeskummer, Ärger mit den Eltern, Leistungsdruck in der Schule und schlechte Noten. Besonders vor den Zeugnissen sehen viele Kids, deren Versetzung gefährdet ist, keinen Ausweg mehr und bringen sich um."


K.R.Ä.T.Z.Ä.-Schulplakat "Was wir an der Schule falsch finden"

.