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Ausgabe 22

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"Ihr habt dieses Land nur von uns geborgt"
Schon ein Jahr nach der Gründung der "Gesellschaft für die
Rechte zukünftiger Generationen" durch den Studenten Jörg Tremmel
liegt als Diskussionsangebot deren erste Publikation vor. Der Titel des
Sammelbandes "Ihr habt dieses Land nur von uns geborgt" stellt bereits
eine Irritation/Herausforderung für mich dar, klingt er doch wie eine
Anklage der jüngeren gegen die älteren Generationen. Auf den
zweiten Blick fällt dann auf, daß "dieses Land" der Überschrift
durch eine Erdkugel illustriert wird. Dieser Widerspruch löst sich
sofort auf, wenn ich mir die Autoren der sechs thematischen Beiträge
anschaue. Der jüngste 17, der älteste 26 Jahre alt, gehören
sie einer Generation an, deren Überleben durch fahrlässige Umweltpolitik
infragegestellt ist, deren Perspektiven durch die Entwicklung auf dem Bildungs-
und Arbeitsmarktsektor ungekannten Zerreißproben ausgesetzt sein
werden und deren Renten nicht sicher sind.
Ich hege keinen Zweifel, daß die jungen Leute mit der Absicht,
über den "Tellerrand" zu sehen, außer den genannten Themenkomplexen
Umwelt, Renten, Arbeitslosigkeit, Bildung auch die Staatsverschuldung und
demokratische Grundrechte - wie etwa das Wahlrecht - bearbeiten.
Was verstehen diese jungen, engagierten Leute unter der Gleichberechtigung
der Generationen auf einer Erde, deren Ressourcen begrenzt sind? Was treibt
sie, mit Vehemenz für die zukünftigen, d.h. noch nicht Geborenen,
einzutreten? Wie kann der Schuldenberg abgetragen werden? Kann er überhaupt
verkleinert werden?
Ich hoffe, daß die gut gegliederten Beiträge das Material
liefern zu einer breiten Diskussion brennender Fragen nicht nur zwischen
alt und jung, sondern auch innerhalb der Generationen.
Aus der Prämisse, für die Rechte zukünftiger Generationen
einzutreten, ergibt sich fast zwangsläufig der Schluß, daß
unter den jetzt lebenden Generationen keine Gruppe von der Mitbestimmung
und Mitgestaltung der Lebensbedingungen (Politik) ausgeschlossen werden
darf.
Daß hier völlig unausgeschöpfte demokratische Reserven
liegen, bringt B. Kiesewetter in seinem Beitrag: "Die Gleichberechtigung
der jungen Generation" auf den Punkt. 20 % der Bevölkerung sind vom
Wahlrecht ausgeschlossen. Das Wahlrecht ohne Altersbeschränkung, so
argumentiert B. Kiesewetter, würde Politiker zwingen, die Langzeitperspektive
dieser Gruppe zu berücksichtigen.
Es ist zu wünschen, daß der Sammelband nicht nur eine angemessene
Verbreitung findet, sondern eine wirklich schöpferische, d.h. kritische
Aneignung erfährt, die eigentlich nur in gesellschaftsverändernder
Praxis bestehen kann. Die große Initiative steht noch aus.
Ulli Sachse
Gesellschaft für die Rechte zukünftiger Genarationen (Hrsg.):
"Ihr habt dieses Land nur von uns geborgt", Rasch und Röhring Verlag,
Hamburg 1997, 29,80 DM
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