KinderRächtsZeitung Regenbogen
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Ausgabe 22

Editorial
Fünf Jahre K.R.Ä.T.Z.Ä. und kein Ende?
Im Internet gut gefunden: KidWeb
Hilfe! Spendet!
Kampagne gegen Schulpflicht, Zwangsdienste und Erziehung
Antipädagogischer Rundbrief
Kinderarbeit verboten!?
Neue Leute gesucht
Kinderwahlrecht: neuer Anlauf
Pressemitteilung zu Wahlrecht
K.R.Ä.T.Z.Ä.-Aktionen
Umfrage zum Thema Schule
An-, Ab- und Aussichten [kurze Kommentare zu kinderrechtlichen/politischen Themen]
Zum Deckblatt
Rezension: Kinderbürger
Nicotapias 3. Kolumne
Der Bildungsgutschein
"Ihr habt dieses Land nur von uns geborgt"
Informationen für Minderjährige

Cover Ausgabe 22
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5 Jahre K.R.Ä.T.Z.Ä. und kein Ende?

Mike erinnert sich gerne an die Zeit, in der er mich als 13jährigen noch auf der Fahrradstange mitnehmen konnte. Da waren die Verhältnisse noch übersichtlich. Inzwischen bin ich fast so groß wie er. Manche gucken mich komisch an, wenn ich sie nach langer Zeit wiedersehe und sie erfahren müssen, daß ich immer noch für Kinderrechte kämpfe. Oder für den Regenbogen schreibe, die Zeitung, die ich in meiner Grundschulzeit mit einem Schulfreund gegründet habe. Als Mitbegründer unseres Haufens wurde ich gebeten, etwas zu unserem Jubiläum zu schreiben. Da es eine sehr ausführliche K.R.Ä.T.Z.Ä.-Chronik gibt, werde ich mich auf ein paar persönliche Einschätzungen beschränken.

Zwei Zeitgenossen waren es, ein oder zwei Jahre älter als ich, Zwillinge (später nannten sie sich Schugar und Schmadder), die mir von der Idee einer kinderrechtlichen Gruppe erzählten. Einige Tage später, es war Herbst 1992, trafen wir uns zu viert in der Kollwitzstraße im Prenzlauer Berg in einem ehemaligen Doppelstockbus der BVG – Mike Weimann, die Zwillinge und ich. In der nächsten Woche waren es schon mehr.
Ich war sehr unzufrieden mit meinen bisherigen Versuchen, die Politik zu beeinflussen. Ich hatte bis dahin mehr als ein Jahr bei dem Kinderbüro "Kids beraten Senator" mitgearbeitet und mich schon fast damit abgefunden, daß man als junger Mensch höchstens Spielplätze und Tempo-30-Zonen fordern konnte. Unzufrieden war ich, weil ich spürte, daß das nicht die wirklichen Probleme von Kindern waren, sondern eher die Spitze eines Eisbergs. Die Arbeit bei Kids beraten Senator war aus meiner heutigen Sicht nicht mal ein Tropfen auf den heißen Stein, es war ein Tropfen auf diesen Eisberg: Was wir erreichten, war nicht ein wenig mehr Kinderfreundlichkeit, sondern ein bißchen mehr das Gefühl bei den Erwachsenen, daß die Kinder ja doch die Möglichkeit hätten, mitzubestimmen.
Dementsprechend wirkten die Vorstellungen von konsequenter Gleichberechtigung zwischen Kindern und Erwachsenen auf mich. Das waren Forderungen, hinter denen eine Idee stand, für die es sich lohnte, etwas zu tun. Idealistisch waren und sind sie zugegebenermaßen, unsere Ideen, aber alle großen Ideen waren mal idealistisch und sind es heute oft noch: Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist das beste Beispiel. Im Grunde genommen sind alle Grundrechte ziemlich theoretisch, idealistisch und sogar unrealistisch – aber sie sind richtig, und deshalb stehen sie da als Richtlinie, Erinnerung und Maßstab im Grundgesetz. Ich weiß, daß ich heute nicht mehr Einfluß habe als damals, aber ich bin viel zufriedener mit dem, was ich tue.
Ich glaube, daß ich damals ein bißchen der Faszination von Macht erlegen war. Ich bewunderte den Jugendsenator, der das Büro ins Leben gerufen hatte und versteifte mich sehr früh darauf, Politiker werden zu wollen. Ich wollte unbedingt mitbestimmen und Einfluß haben, aber welche wirkliche Idee stand dahinter?
Die K.R.Ä.T.Z.Ä.-Idee war ein Glücksfall für mich. Wir trafen uns jeden Mittwoch in diesem Bus und richteten uns ein. Wir bemalten ihn von innen und stellten Hausregeln auf. Wir legten uns mit Faschokindern an, die Steine in die Fenster warfen. Daß wir uns Krätze nannten, darüber waren wir uns bald einig, aber wir stritten uns darüber, für was Krätze eine Abkürzung sein sollte. Krätze – das war die lästige Punkerkrankheit. Kleine Milben, die unter die Haut gehen. So nervend und provokativ wollten wir an die Öffentlichkeit gehen, Kinderrache und Kinderrechte zusammen hießen Kinderrächte – aber sollte es KinderRÄchTsZEcken heißen oder -ZÄnker? Der Leser weiß, wie die Geschichte weitergegangen ist, zwei Äs in einem Wort, das haben die meisten Journalisten bis heute nicht gerafft.
Im Mittelpunkt unserer Arbeit standen nicht Treffen mit Politikern, sondern das Reden über unsere Themen in Prenzlauer Berger Cafés. Mike lud uns ein. Für die, die schon öfter dagewesen waren, wurde das zur Selbstverständlichkeit, sie hatten keine Hemmungen, ihre heiße Schokolade mit Sahne zu bestellen. Den Neuen hingegen war das anfangs immer peinlich, daß Mike für alle bezahlte. Nach zwei Treffen hatten sie sich dran gewöhnt. Die Cafés durften sich nach unseren Besuchen jedes Mal über die creative Neugestaltung der Klotüren freuen. Mit den Nazis-Raus-Sprüchen rannten wir dort natürlich offene Türen ein. Viel revolutionärer war dann doch das Kleben eines Leerer-halts-Maul-Spuckis direkt auf die Tür des Lehrerzimmers der Schule, in die ich mit Robert (der im Laufe der Jahre auch Robbe, Conny, Örkson und später Papagei hieß) und Simon ging, die beide auch zu dieser Zeit bei K.R.Ä.T.Z.Ä. waren.
Wir beschlossen, mit Fragen anzufangen: Dürfen Eltern Freunde reinlassen verbieten? Dürfen Dich Eltern zwingen, Klamotten anzuziehen, die Du nicht willst? Haben die Eltern das Recht zu fragen: "Wo hast Du das her?" (Ausfragen)? Darf der Lehrer Dich rannehmen, wenn Du nicht willst? Hast Du ein Recht, den eigenen Namen zu wählen? Es entstand der Entwurf einer Kinderrechtsfibel, oder KinderRÄCHTzwiebel, wie sie dann auf krätzisch hieß. Wir wollten Reaktionen sammeln und irgendwann schließlich eine richtige Fibel zusammenstellen, in denen diese Fragen auch beantwortet sind und bestimmte Tricks zur Lösung bekanntgegeben werden. Das ist bis heute ein Zukunftsprojekt geblieben.
Wir trafen uns inzwischen immer seltener im Bus und immer öfter im Infozentrum des Vereins Netzwerk Spiel/Kultur, zu dem Mike gehörte. Im Mai 93, zur Kinderkulturwoche Prenzlauer Berg, stießen drei "Frauen" zu uns (Ulrike, Meggy und Anna), was sich tatsächlich als Problem erwies: Weil die immer getuschelt und gekichert haben und Werbejingles von Milka gesungen haben und weil alles nicht mehr so war wie früher! Wir bekamen das Problem in den Griff, spätestens mit der ersten großen K.R.Ä.T.Z.Ä.-Fahrt nach Stuttgart im September 93 zum Kindergipfel. Wir waren zu zehnt und vergnügten uns die ganze Zugfahrt damit, aus heutiger Sicht natürlich sehr zu bedauernden vorbeilaufenden Mitreisenden mit Trinkpäckchen und Strohhalmen nasse Flecke auf die Hosen zu spritzen und erfreuten uns sehr über die Vorstellung, wie diese Menschen – bzw. "Spießer" wie wir eigentlich alle Menschen ab 30 nannten – sich wohl gleich hinsetzen und langsam registrieren würden, daß da etwas mit der Luftfeuchtigkeit in ihrer Unterhose nicht ganz stimme. Mike hatte zu solchen Aktionen nach meinem Gefühl eine etwas ambivalente Einstellung: Er wollte uns nichts verbieten, hatte aber Angst, zur Verantwortung gezogen zu werden, dann fand er es einerseits persönlich ziemlich asozial, andererseits wahrscheinlich auch nicht ganz unwitzig, wie man seinem versteckten Schmunzeln entnehmen konnte. Er hatte vollkommen recht.
Die Veranstaltung fanden wir ziemlich scheiße, die Fahrt insgesamt aber sehr klasse, wir hatten echt Wirbel gemacht, nette Leute kennengelernt – auch uns selbst –, wir beeindruckten die anderen mit unserer Art gegenzupowern: Wir warfen dem Moderator der Schlußveranstaltung Strohballen in sein Cabrio, als er mit dem Auto übers autofreie Gelände fuhr, wir bildeten "Heuchler"-Chöre als Klaus Töpfer, der damalige Umweltminister, versprach, sich weiterhin für das Recycling von Autobatterien einzusetzen, und wir sammelten sämtliche Müllermilch-Plastikbecher, die uns zum Essen vorgesetzt wurden, und schütteten sie auf die Bühne. Klaus Töpfer hielt sich die Hand vors Gesicht. Wir machten eine Riesenparty als an diesem Wochenende vom IOC beschlossen wurde, daß nicht Berlin, sondern Sydney der Austragungsort der Olympischen Spiele 2000 sein sollte. Wir dichteten den damals aktuellen Scheißhit "No Limit" um in "Nolympics" und hatten am nächsten Tag keine Stimme mehr. Egal.
Es folgte zur damaligen Zeit eine Einladung vom Berliner Grips Theater, uns an dem Stück "Moskitos" zu beteiligen, in dem es um das Kinderwahlrecht gehen sollte. Wir waren selbstverständlich dabei. Wir schrieben ein Wahlprogramm und freuten uns darüber, daß die Moskitos im Stück dieses Wahlprogramm ans Publikum verteilten und riefen: "Gegen Schulpflicht und Freiheitsberaubung." Aber vor allem setzten wir uns sehr intensiv mit der kinderrechtlichen Forderung nach einem Wahlrecht ohne Altersgrenze auseinander und kamen schließlich zu dem Ergebnis, daß das Prinzip "Ein Mensch, eine Stimme" beim Wählen das einzig demokratische ist – im Gegensatz zu den Forderungen, Eltern für ihre Kinder zusätzliche Stimmen zukommen zu lassen oder das Wahlalter einfach auf 16 Jahre herabzusetzen. Diese Auseinandersetzung sollte noch Folgen haben.
Zunächst erwarteten uns allerdings ein paar Änderungen: Wir mußten vom Infozentrum am Kollwitzplatz in die Medienwerkstatt Kontra umziehen. Mike hatte eine zweite Kinderrechtsgruppe angeboten, "Die Zöglinge" trafen sich jetzt immer freitags und gerieten mehr und mehr zu einer Art Konkurrenzunternehmen. K.R.Ä.T.Z.Ä. arbeitete indessen fleißig an dem Text für das Plakat "Was wir an der Schule falsch finden". Ich habe bis heute nie wieder so lange und so ausführlich um Wörter gefeilscht. Wir haben wirklich Wochen gebraucht, um uns einigen zu können. Aber wir waren dann auch alle zufrieden.
Im frühen Sommer 1995 gab es die erste wirklich große Aktion: Schon vorher war die Idee entstanden, daß zwei Krätzlinge beim Bundesverfassungsgericht ihr Wahlrecht einklagen könnten. In einer Talkshow, in die wir eingeladen wurden, lernten wir einen Rechtsanwalt kennen, der die Aktion mitmachen wollte. Twix, der unter seinem geheimnisvollen Pseudonym "Rainer Kintzel" bekannt geworden ist, und ich sollten die Kläger sein. Die Vorbereitung war sehr intensiv, und es wurden alle Kräfte gebraucht, so daß auch die Zöglinge zugelassen wurden. (Nach dieser Zeit wurden die Zöglinge sowieso von K.R.Ä.T.Z.Ä. übernommen.) Die Pressekonferenz am 23. August wurde jedenfalls ein riesiger Erfolg, wir waren in aller Munde, von der Wochenzeitschrift "Freitag" grinsten Twix und ich vom Titelbild. Die öffentliche Debatte um das Kinderwahlrecht war nun angezettelt worden und man reagierte (meiner Meinung nach auch wegen uns) schnell in Niedersachsen mit der Herabsetzung des Wahlalters. War nicht so gemeint gewesen von uns, aber das haben die meisten einfach nicht verstanden, daß sie auch dem damals 13jährigen Twix sein Wahlrecht nicht vorenthalten sollten.
Die Verfassungsbeschwerde wurde damals nicht zur Verhandlung angenommen, weil sie nicht rechtzeitig – 1950 – eingereicht worden war. Trotzdem hatten wir erreicht, was wir erreichen wollten: eine öffentliche Diskussion, die dann sogar dazu führte, daß sich die damalige Justizministerin Leutheuser-Schnarrenberger oder die Vizepräsidentin des Bundestags Antje Vollmer mit uns unterhielten.
Überhaupt sind wir seit dem zu vielen Veranstaltungen eingeladen, die zur Folge hatten, daß es viele Fahrten gab, insgesamt mehr als 20. Unsere Aktionen fanden auch gelegentlich vormittags statt, so daß Mike Freistellungsanträge für die Schule schrieb. Einmal sagte Maria: "Aber schreib bitte nicht wieder: einer der Höhepunkte unserer kinderrechtlichen Arbeit." Mike war es nicht aufgefallen: Auf jedem Freistellungsschein stand als Begründung, daß die Aktion "einen Höhepunkt unserer kinderrechtlichen Arbeit" darstelle. Die Lehrer fanden das langsam verdächtig. Dabei hatte Mike vollkommen recht.
Neben Familie, Schule und Wahlrecht sollte es jetzt um das Thema Kinderarbeit gehen. Als Christoph, der mit dem damals 41jährigen Mike zusammen studierte und in der Zeit der Verfassungsbeschwerde zu uns gestoßen war, die Idee hatte, eine K.R.Ä.T.Z.Ä.-Delegation könnte doch im Sommer nach Nicaragua fahren, um sich dort mit den Arbeitenden Kindern zu treffen, waren wir – so weit ich mich erinnern kann – nicht gerade sehr optimistisch, daß uns das gelingen könnte. Im Juli 1996 landeten wir zu zwanzigst in Managua. Für einige Krätzäs war es der erste Flug ihres Lebens. Für Mike war es (natürlich) einer der Höhepunkte unserer kinderrechtlichen Arbeit. Ich werde die Nächte in Somoto nie vergessen: Es fing ein Hahn an zu krähen und der nächste antwortete bis das ganze Dorf von den Rufen der Gockel erfüllt war. Die Lautstärke war unbeschreiblich, und es war einmalig. Viel wichtiger als solche Naturerlebnisse waren aber die Treffen mit den NATRAS, mit denen wir in Basisprojekten zusammengearbeitet und einen Kinderrechtskongreß veranstaltet haben: Auf dem Rückflug war für uns klar, daß wir den Nicaraguanern ermöglichen wollten, im darauffolgenden Jahr nach Berlin zu kommen.
Es begann die nächste große Aktion: Ich hatte bereits am Anfang des Jahres angefangen, den Chemieunterricht nicht mehr zu besuchen. Über die Geschichte ist viel berichtet worden, aber drei Dinge fallen mir ein, die mir persönlich in Erinnerung geblieben sind und mich sehr bestärkt haben: Ein Brief von Ivan Illich, der mir schrieb, wie sehr ihm meine Aktion Mut gemacht habe. Das Verhalten der Presse, als mein Schuldirektor nach der Gerichtsverhandlung den Journalisten die Trennungsgeschichte meiner Eltern offenbarte, um mich als "armes Scheidungskind" zu titulieren: Obwohl es sensationsmäßig bestimmt nicht uninteressant gewesen wäre, war in den Zeitungen kein Wort davon zu lesen. Und als Drittes: Ein Anruf eines Chemielehrers aus Hannover, der mir einfach nur sagen wollte, wie toll und überzeugend er die Aktion fand. Seine Erfahrung habe ihm ebenfalls deutlich gemacht, daß der erteilte Zwangs-Chemieunterricht mehr Schaden anrichte als Nutzen bringe.
K.R.Ä.T.Z.Ä. war inzwischen – vor allem durch die Wahlrechtsklage und die Chemieverweigerung – ziemlich bekannt geworden. Der WDR machte einen Dokumentarfilm über uns, der 45 Minuten lang war. Von der Bravo und MTV bis zur ZEIT, von Spiegel, Focus, FAZ bis zu dem berühmten "Streiflicht" in der Süddeutschen Zeitung hatten nun wirklich alle über uns berichtet. Aber politisch änderte sich selbstverständlich nichts.
Was nun kam, war der Rückaustausch: Die Nicas in Berlin. Es war so schön, ihnen dabei zuzusehen, wie bewußt sie alles wahrnahmen: Nelson und Eddi, die bei mir wohnten, kannten Waschmaschinen nicht. Nelson wollte Nylonschnüre für seine Familie kaufen, er brachte jedoch Glasnudeln aus dem China-Shop mit. Manchen von uns lehrten sie das rrrolllende Rrr, aber keiner von ihnen konnte "Krätzä" aussprechen: "Kräkse", "Krechse", "Kitse" waren die Versuche. Der Abschied an einem Sommerabend an der Krummen Lanke war herzzerreißend. Sie lasen Liebeserklärungen vor, verteilten Geschenke, auf beiden Seiten rollten die Tränen. Am nächsten Morgen flogen sie zurück, und für uns begann die Nachbereitung.
Nachbereitung ist das Ätzendste, was es gibt. Bei K.R.Ä.T.Z.Ä. stellte sich ziemliche Flaute ein. Wir waren kurz bevor die Nicas gekommen waren in einen eigenen Laden umgezogen, den wir nun jederzeit nutzen konnten, aber es kamen nur noch wenige Leute. Und diese waren mehrheitlich extrem motivationslos. Es begannen Prophezeiungen über das K.R.Ä.T.Z.Ä.-Ende. Wir organisierten einen Abend, an dem wir den Film über uns zeigten, um neue Leute kennenzulernen. Die Resonanz war enttäuschend gering: Wir hatten alle Zettel verteilt und saßen dennoch fast alleine da.
Inzwischen passieren andere Dinge als früher. Wir haben eine Postkarte herausgegeben und eine erneute Klage für das Wahlrecht eingereicht. Durch die Veränderungen sind wir von einer Initiative zu einer Organisation, vielleicht sogar Institution geworden. Die technische Ausstattung hat sich stark verbessert, viel Energie geht für aufwendige Verwaltungsarbeit drauf, es müssen ständig Informationen aktualisiert werden, wir sind im Internet, von vielen Dingen bekomme ich auch nichts mehr mit. Die Zahl der Studenten, die die über uns Diplomarbeiten schreiben wollen, steigt ständig. Man schreibt uns Briefe, die mit "Liebe Aktivisten der Jugendarbeit" anfangen. Nach der Statistik von Martin Wilke haben bei K.R.Ä.T.Z.Ä. inzwischen schon über 50 Leute mitgearbeitet. Wir planen eine Fahrt nach Dänemark, um uns dort Freie Schulen anzuschauen. Manche Leute machen etwas, aber das Feuer lodert noch nicht wieder, es wird auf kleiner Flamme gekocht. Ich wünsche mir, daß wir wieder etwas Großes auf die Beine stellen, daß wir die Kraft haben werden, etwas gegen Ungerechtigkeiten zu tun und daß wir die Leute finden, die mit ihrer Energie bei uns mithelfen können.

Benjamin Kiesewetter

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