<< zurück zur Ausgaben-Übersicht
Ausgabe 22
|
im Netzwerk SPIEL / KULTUR
Prenzlauer Berg e.V.
Dunckerstraße 11, 10437 Berlin
030 / 44 797 2-2, Fax -0
kraetzae@kraetzae.berlinet.de
Pressemitteilung |
12. Februar 1998
|
Wahlrecht ohne Altersgrenze
Klage vor dem Berliner Verwaltungsgericht
Der Berliner Schüler Robert Rostoski, Mitglied der Kinderrechtsgruppe
K.R.Ä.T.Z.Ä., reicht am 12. Februar 1998 Klage gegen die Entscheidung
des Bezirksamtes von Berlin-Mitte ein, ihn nicht in das Wahlverzeichnis
für die kommende Bundestagswahl einzutragen. Die Kinderrechtsgruppe
setzt sich mit Hilfe ihres Rechtsanwalts Peter Merk für die Abschaffung
der Altersgrenze beim Wahlrecht ein und will notfalls durch die Instanzen
bis zum Bundesverfassungsgericht gehen.
Das Bezirksamt hatte den Antrag auf Aufnahme in das Wahlverzeichnis
im Juli 1997 abgelehnt, weil der 16jährige Antragsteller zum Zeitpunkt
der Wahl das Mindestalter von 18 Jahren gemäß Artikel 12 Bundeswahlgesetz
noch nicht erreicht haben wird. Den hiergegen eingelegten Widerspruch hat
das Bezirksamt am 28. Januar ebenfalls abgelehnt, da die gesetzliche Stichtagregelung
der Verwaltung keinerlei Spielraum lasse.
Nun wird gegen diesen - nach Meinung der Kinderrechtler grundgesetzwidrigen
- Verwaltungsakt vor dem Berliner Verwaltungsgericht geklagt. Falls die
Klage nicht erfolgreich ist, wollen die Kinderrechtler notfalls durch die
Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht gehen.
"Jeder Mensch, der möchte, soll unabhängig vom Alter an der
Wahl teilnehmen können." Mit dieser grundlegenden Veränderung
wollen die KinderRÄchTsZÄnker zwei Ziele erreichen:
Erstens sollen sich durch die Wahlrechtsänderung junge Menschen
bei politischen Entscheidungen stärker einbringen können, damit
ihre gegenwärtigen und zukünftigen Interessen in unserer Gesellschaft
eine größere Rolle spielen und ernstgenommen werden. Die Änderung
des Wahlrechts soll in diesem Sinn die Parteien und die erwachsenen Wähler
zum Nach- und Umdenken veranlassen.
Zweitens soll auf die auch in anderen Lebensbereichen anzutreffende
mangelhafte Rechtsstellung der Menschen unter 18 Jahren und ihre Rolle
in der Gesellschaft aufmerksam gemacht werden, um auch dort - mittelbar
- für Veränderung zu sorgen.
Bereits im August 1995 hatten zwei Jugendliche von K.R.Ä.T.Z.Ä.
versucht, das Wahlrecht ohne Altersgrenze durch eine Verfassungsbeschwerde
durchzusetzen. Die Klage hatte sich auch damals auf den Artikel 20 des
Grundgesetzes berufen, wonach alle Staatsgewalt vom Volke ausgehe, zu dem
Kinder auch nach Auffassung von Juristen unzweifelhaft gehören. Das
Bundesverfassungsgericht hatte die Beschwerde im Januar 1996 aus formalen
Gründen nicht zur Verhandlung angenommen. Sie sei nicht fristgerecht
"binnen eines Jahres" nach Verabschiedung des Grundgesetzes, also vor der
Geburt der Kläger, eingereicht worden. Diese Frist wird jetzt durch
die Klage gegen einen aktuellen Verwaltungsbescheid umgangen, sodaß
sich das Gericht mit dem Inhalt der Klageschrift befassen muß. "Wenn
die Gerichte nicht rechtzeitig entscheiden, werden wir prüfen, ob
die Bundestagswahl insgesamt angefochten werden muß", so Rechtsanwalt
Dr. Peter Merk.
Die Forderung der KinderRÄchTsZÄnker nach einer Änderung
des Grundgesetzartikels 38(2) hat im Herbst 1997 prominente Unterstützung
durch die damalige Berliner Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit
erfahren. In einem Artikel der angesehenen Fachzeitschrift "Neue Juristische
Wochenschrift" hatte sie sich ebenfalls für das demokratische Prinzip
"Ein Mensch - eine Stimme" eingesetzt. Im Unterschied zu K.R.Ä.T.Z.Ä.
fordert sie, daß die Wahlstimme der Kinder von den Eltern treuhänderisch
genutzt werden soll. Nach Ansicht von K.R.Ä.T.Z.Ä. würde
bei dieser Regelung übersehen, daß Kinder sich dann genausowenig
für ihre Interessen einsetzen könnten wie jetzt.
Die Altersgrenze werde oft mit einem Mangel an Kompetenz und Urteilsfähigkeit
von jungen Menschen begründet. Dieses Argument sei jedoch unzulässig.
Niemand sei berechtigt, über die Qualität der Argumente oder
die Qualifikation des Wählers zu entscheiden. In einer Demokratie
würden Stimmen quantitativ gezählt, wenn sich keine Einigung
erzielen lasse. - Selbst wenn die politische Urteilsfähigkeit ein
Kriterium wäre, so Robert Rostoski, sei sie mit willkürlichen
Altersgrenzen unvereinbar. Das Alter eines Menschen garantiere weder Reife
noch die Fähigkeit zu verantwortlichem Handeln. Dem Einwand, Kinder
seien zu leicht zu beeinflussen, hält K.R.Ä.T.Z.Ä. entgegen,
daß Beeinflussung bei jeder Kommunikation stattfinde und Grundlage
des Wahlkampfes sei. Statt etwa 20% der Bevölkerung pauschal auszuschließen,
sei der Wahlkampf gegebenenfalls anders zu regeln. Der Frage, ob auch Babies
wählen sollen, entgegneten die KinderRÄchTsZÄnker, daß
es sich um ein Recht handele und nicht um eine Pflicht. Grundrechte dürften
Menschen nicht wegen mangelnder Fähigkeiten vorenthalten werden. Auch
Erwachsenen, die zur Teilnahme an der Wahl nicht fähig sind, werde
das Wahlrecht nicht weggenommen.
Die bestehende Liste der prominenten Unterstützer der KinderRÄchTsZÄnker
ist seit 1995 gewachsen. So haben sich neben einigen Mitgliedern des deutschen
Bundestages und Abgeordneten verschiedener Landesparlamente auch das bundesweite
Grün-Alternative Jugendbündnis, die Katholische Junge Gemeinde
Bayerns und die neugegründete Stiftung für die Rechte der zukünftigen
Generationen der Forderung nach einem Wahlrecht ohne Altersgrenze angeschlossen.
Zahlreiche weitere Informationen, u.a. die Widerspruchsbegründung
unseres Rechtsanwaltes und den Text von Lore Maria Peschel-Gutzeit finden
Sie auf unseren Internetseiten. Auch Pressefotos kann man downloaden:
http://privat.schlund.de/kraetzae
Wir freuen uns auf ihren Rückruf: 030/4479722
Die Arbeit der KinderRÄchTsZÄnker wird vom Bezirksamt
Prenzlauer Berg,
dem Deutschen Kinderhilfswerk und der Jugend- und Familienstiftung
des Landes Berlin finanziell unterstützt.
|