KinderRächtsZeitung Regenbogen
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Ausgabe 18

Editorial
Das Restaurant am Ende des Universums [Fortsetzung von "Per Anhalter durch die Galaxis"]
Verfassungsbeschwerde nicht angenommen
Lernen trotz Schule
Eine Reise
Über Janusz Korczak
Geschlechterdiskussion [über "Mythos Männermacht"]
Lesermeinung
Kinderarbeit
Gefangen Teil 2
Aufgelesen
An-, Ab- und Aussichten [kurze Kommentare zu kinderrechtlichen/politischen Themen]
HÖRmal!
Schulpflicht-wozu?
Schulbücher [drei Bücher über Schule]
Der Roboter
K.R.Ä.T.Z.Ä.-Veranstaltungen
Horoskop
Schulbrief
Zum Schluß

Cover Ausgabe 18
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Verfassungsbeschwerde nicht angenommen

Entscheidung des Gerichts juristisch bedenklich

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde zweier Schüler wegen Vorenthaltung des Wahlrechts nicht zur Verhandlung angenommen (2 BvR 1917/95).

Der in der Klageschrift erhobene Vorwurf eines inneren Widerspruchs in der Verfassung wurde nicht zur Verhandlung zugelassen, da die Frist für eine solche Beschwerde abgelaufen sei. Im §93(3) Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) mit dem das Gericht die Nichtannahme begründet, heißt es: "Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz oder gegen einen sonstigen Hoheitsakt, gegen den der Rechtweg nicht offen steht (...)" kann sie "nur binnen eines Jahres erhoben werden."
Diese Argumentation hält der bevollmächtigte Anwalt Dr. Peter Merk für juristisch nicht tragfähig, da die Beschwerde weder ein Gesetz noch einen "sonstigen Hoheitsakt" angreife, sondern vielmehr die Verfassung selbst. Der in § 93(3) verwandte Begriff "Gesetz" könne nicht so verstanden werden, daß er auch das Grundgesetz - also die Verfassung - umfaßt, weil das Grundgesetz die Grundlage der Gesetze erschaffe, d.h. Bedingung aller Gesetze sei. Auch Hoheitsakte setzten eine staatliche Organisation voraus, die wiederum eine Verfassung zur Voraussetzung haben müsse. Folglich könne das Grundgesetz nicht selbst ein Hoheitsakt sein.
Im Übrigen begründet das Gericht seine Ablehnung mit einem Verfassungsgerichtsurteil, in dem es um ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes ging. Das habe aber nach Ansicht Merks mit dem aktuellen Fall nichts zu tun, da jetzt "gegen eine Norm des Grundgesetzes selbst in ihrem ursprünglichen Bestand" geklagt wurde.
Das Gericht vertrete somit einen Standpunkt, der eine juristische Änderung des Grundgesetzes durch Verfassungsbeschwerden von vornherein ausschließt. Es könne hier die Frage aufgeworfen werden, ob das Gericht nicht durch die Verweigerung der Verhandlung gegen Art. 19 (4) des Grundgesetzes verstoße ("Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen."). Zweifelsfrei seien die Beschwerdeführer durch die öffentliche Gewalt in ihren Rechten verletzt, indem sie durch eine Norm des Grundgesetzes von der Ausübung eines Grundrechts, nämlich des politischen Grundrechts der Wahl, vollständig ausgeschlossen würden, so der Anwalt.

"Die Entscheidung bedeutet ja, daß wir die Klage bereits 1952 hätten einreichen müssen." sagt der Beschwerdeführer Benjamin Kiesewetter. Trotz allem dürfe nicht vergessen werden, daß ein Hauptziel der Verfassungsbeschwerde - der Beginn einer öffentlichen Diskussion - erreicht sei. In diesem Sinne müsse nach Meinung der Kinderrechtgruppe die Auseinandersetzung um das Wahlrecht ohne Altergrenze fortgesetzt werden, da der Forderung und Argumentation der Kinderrechtler vom Gericht inhaltlich nichts entgegengesetzt worden sei.

Nach der Ablehnung titelte die Zeitschrift klein & groß nun: "Ein Mensch - Keine Stimme". Auch viele Unterstützer zeigten sich enttäuscht von der formalen Ablehnung.

Wie geht es nun weiter ist die zentrale Frage, die die KinderRÄchTsZÄnker jetzt beschäftigt. Dabei fallen zwei verschiedene Möglichkeiten ins Gewicht: "Wir könnten gegen die neue Berliner Verfassung klagen, die erst seit Oktober 1995 gültig ist. Hier ist die Jahresfrist noch nicht abgelaufen. Ebenfalls könnte man gegen die niedersächsische Verfassung klagen, weil die Änderung mit der das Kommunalwahlrecht ab 16 beschlossen worden ist, auch erst einige Monate her ist. Und schließlich ist die Vorenthaltung des Wahlrechts für Unter-16jährige genauso ungerecht".
Hier sei allerdings abzuwägen, daß das Verfassungsgericht immer wieder "Ausreden" finden könnte, warum die Beschwerde nicht zur Verhandlung angenommen werden sollte. Deshalb schlägt Dr. Merk eine andere Variante vor: "Einige Jugendliche, die bei der nächsten Wahl noch nicht 18 sind, beantragen die Aufnahme in die Wählerlisten. Das wird - aufgrund des Alters - natürlich abgelehnt." Dagegen würden die Zänker dann beim Verwaltungsgericht klagen, die verpflichtet sind, eine solche Klage anzunehmen. Wird hier wieder abgelehnt, geht es zum Oberverwaltungsgericht, Bundesverwaltungsgericht usw. "Durch die Instanzen durchgeklagt landen wir dann wieder beim Bundesverfassungsgericht - die Jahresfrist hätten wir damit wieder umgangen" so der Beschwerdeführer Rainer Kintzel. Problem Nummer 1 für Folgeaktionen ist das Geld: Nachdem die ersten 25.000 DM bei der ersten Klage draufgegangen sind, fehlen nun wieder ca. 30.000, um sich durch die Instanzen zu klagen. Für dieses Problem ist bisher keine Lösung in Sicht. Benjamin Kiesewetter: "Es soll doch aber nicht am Geld scheitern, oder?"


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Wir trauern um
Die Demokratie
ermordet am 08.01.1996 n. Chr.,

als der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsbeschwerde zur Vollendung des demokratischen Prinzips der Gleichberechtigung nicht zur Verhandlung annahm.
In tiefer Trauer und Depression: Benjamin Kiesewetter und die Kinderrächtszänker


Pressemitteilung
Fragen und Antworten (FAQ) zum Kinderwahlrecht

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