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Ausgabe 18

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Für eine neue
Geschlechterdiskussion!
Die beiden Regenbogen-Redakteure Benjamin Kiesewetter
und Sophie Schweinfurth streiten sich
über das Buch "Mythos Männermacht" von Warren
Farrel:
Ist Männermacht ein Mythos, Sophie?
Ja, nach der Lektüre dieses Buches kann ich
dem zustimmen. Aber von wem ist er geschaffen worden?
Daß die Männer die Macht haben, ist
doch ein allgemeines Vorurteil. Ich nehme mal an, daß es zuerst von
der feministischen Szene genannt worden ist. Das ursprüngliche Ziel
dieses Feminismus, die Gleichstellung der Geschlechter, ist doch aber inzwischen
untergegangen in einem Anti-Männer- Sexismus, oder nicht? Unabhängig
aber davon, wer ihn geschaffen hat, geht es doch jetzt darum, ihn abzuschaffen
und die "gegenseitige Versklavung der Geschlechter", wie Farrel
es so schön sagt, zu beenden.
Was die Abschaffung betrifft, stimme ich dir zu.
Wir sollten uns langsam aber sicher auf eine wirkliche Akzeptanz und Gleichstellung
beider Geschlechter zubewegen, anstatt uns gegenseitig zu verteufeln. Die
Frauenbewegung hat dadurch auch ihr eigentliches Ziel aus den Augen verloren.
Der Anti-Männer-Sexismus ist allerdings meiner Meinung nach noch nicht
so groß wie der Anti-Frauen- Sexismus.
Ach, und wie stellst du dir dann das Phänomen
vor, daß ich in vier Jahren zur Armee einberufen werde (im Gegensatz
zu dir) - und zwar durch ein ganz klar sexistisches Gesetz, das gegen die
Gleichberechtigung verstößt? In sämtlichen Postämtern
der USA hängt (laut Farrel) eine "Erinnerung" an die Wehrpflicht
mit dem tollen Spruch "Ein Mann tut, was ein Mann zu tun hat".
Farrel bittet die Leser sich ein öffentliches Plakat mit einer schwangeren
Frau vorzustellen mit dem Spruch: "Eine Frau tut...". Solche
offensichtlich diskriminierenden Gesetze wie die Wehrpflicht oder schon
allein diese Plakate gibt es für das weibliche Geschlecht m.E. nicht
(mehr?), weil Frauen ja geschützt werden müssen... oder siehst
du das anders?
Erstens, mit oder ohne Frauen in der Armee, hat
die Wehrpflicht primär etwas mit politischer Ideologie zu tun, zweitens
ist das natürlich Sexismus und zwar gegenüber Frauen. Es handelt
sich hierbei um ein über Jahrtausende hinweg praktiziertes Prinzip
"Frauen kämpfen nicht - sie müssen beschützt werden".
Keiner hat bis zu Beginn der Emanzipation je etwas anderes zu denken gewagt,
weil es unmöglich war, sich die Frau außerhalb der Küche
als handelndes Wesen vorzustellen. Eine schwangere Frau auf ein Werbeplakat
für eine Instution, deren Aufgabe es ist, zu töten, zu drucken,
wäre reine Ironie.
Farrel meint das Plakat natürlich nicht als
Werbung für die Armee, sondern für den Nachwuchs! Und das deiner
Meinung nach sexistische Prinzip "Frauen kämpfen nicht - sie
werden beschützt" wenden nahezu 100% der Frauen ja auch in den
Staaten (wie z.B. den USA) an, in denen sie kämpfen dürfen. Und
selbst wenn sie sich melden, können sie entscheiden, bei einem Kampfeinsatz
dabei zu sein oder nicht - trotz gleicher Bezahlung. Farrel gibt zu diesem
Prinzip ja Zitate an, so sagt z.B. der Verteidigungsminister unter Reagan,
eine Frau sei "für einen Kampfeinsatz viel zu kostbar" und
Sandra (weiblich!) Day O'Connor vom Obersten Gerichtshof in den USA sagt:
"Es ist nichts für eine Frau, bei einem Kampfeinsatz dabeizusein...
gefangengenommen oder erschossen zu werden, sie kann aber durchaus irgendwo
in einer Raketenbasis auf einen Knopf drücken". Was ich sagen
will: Der Feminismus hat sich sehr darum bemüht, Frauen mehr Möglichkeiten
zu beschaffen und ihnen sogar einige Vorrechte erkämpft, für
die Gleichberechtigung in dieser Hinsicht hat er sich (so weit ich weiß)
nicht eingesetzt. So kann es sich eine gewisse Jodie Foster deswegen auch
leisten, zu sagen, Männer seien Rambos und Frauen hätten niemals
in Vietnam Städte in die Luft gejagt. Während nämlich genau
diesen Krieges hat Frau Foster ihre Schauspielkarriere gewaltig gefördert
- nahezu gleichzeitig mußte Muhammad Ali auf dem Gipfel seiner Boxkarriere
ins Gefängnis, weil er sich weigerte, am Vietnamkrieg teilzunehmen.
Daß die Frauenbewegung sich mehr um die
Vorrechte für Frauen als für die Gleichberechtigung bemüht
hat, stimmt, und es war auch bitter nötig. Es ist wichtig gewesen,
den Frauen diese Vorrechte einzuräumen, damit erstmal akzeptiert wurde,
daß Frauen auch ein Gehirn haben, auch wenn sie z.T. nicht unbedingt
förderlich für die Gleichberechtigung sein werden - den Schritt
zur Gleichberechtigung müssen Männer und Frauen zusammen gehen.
Farrels Argument mit der Lebenserwartung hat mich z.B. auch nur teilweise
überzeugt...
...die Frauenbewegung hat es geschafft, die Lebenserwartung
von Frauen seit 1920 zu verdoppeln. Gleichzeitig ist die Differenz zwischen
den Geschlechtern in Sachen Lebenserwartung um 600% gestiegen - d.h. Frauen
leben heute durchschnittlich 7 Jahre länger als Männer (biologische
Gründe gibt es dafür nachgewiesenermaßen nicht). Seit 1920
haben Frauen immer mehr Möglichkeiten bekommen, ihre traditionelle
Rolle zu verlassen, Männer haben diese Möglichkeiten größtenteils
noch nicht erkämpft. Oder was ist deine Erklärung dafür,
daß die Selbstmordrate der Jungen um 25.000% (!) steigt, wenn sie
den Druck ihrer Geschlechterrolle zu spüren bekommen. Ein Mann tut,
was ein Mann zu tun hat... Gründe für diese brutale Differenz
könnten natürlich auch die "Todesberufe" sein, die
Farrel erwähnt: Von den 25 gefährlichsten Jobs, sind 24 fast
reine Männerjobs - je gefährlicher ein Job, desto höher
der Männeranteil (gefährlich: Feuerwehr 99%, Holzfäller
98%, Kohlebergbau 97% etc. ungefährlich: Sekretär/in 1%, Rezeption
3% u.s.w.). Und dann beschweren sich die Frauen, daß sie nur schlechtbezahlte
Berufe bekommen, dabei liegt der Hauptgrund dafür in der Tatsache,
daß sichere Jobs und solche, die mehr zur Selbsterfüllung als
zum Überleben dienen, nicht so gut bezahlt werden. Vielleicht noch
ein weiterer Grund für die geringe Lebenserwartung (blink! Ironielämpchen
leuchtet...): Nach einer Umfrage des Justizministerium finden es 41% der
USA-Bevölkerung weniger schlimm, "wenn eine Frau ihren Ehemann
ermordet als umgekehrt".
Da ist ja was Wahres dran. Deshalb könnte
man ja auch eine Frauenquote bei den Todesberufen einführen.
Ebenfalls bei der Bundeswehr und im Parlament natürlich auch.
Auch in Talkshows?
Das soll jetzt lustig sein, oder wie?
Naja, ich dachte... Die Frauenquote ist einer
der dämlichsten (entschuldige bitte das chauvinistische Wortspiel)
Fehler, die man (das war jetzt falsch, oder?) zu diesem Thema machen kann.
Ich finde, man kann ruhig einsehen, daß Männer und Frauen sich
unterscheiden. Wir können ja demnächst mal das Buch "Brainsex"
besprechen, indem wissenschaftlich nachgewiesen wird, wie unterschiedlich
schon die Gehirne von uns funktionieren. Männer sind für bestimmte
Sachen einfach besser geeignet (zum Beispiel Kartenlesen) und umgekehrt
Frauen natürlich auch (z.B. Charakter lesen). Eine Frauenquote (wo
auch immer) erreicht nur, daß es nicht mehr um Qualität geht,
sondern um Anzahl der Geschlechter. Ein qualifizierterer Mann müßte
vor einer unqualifizierteren Frau zurücktreten, damit die gleiche
Anzahl der Geschlechter anwesend sind. Im parlamentarischen Bereich wäre
hier zwar die Interessenvertretung durch die Vertreter gewährleistet
- aber was ist mit anderen Gruppierungen, wie z.B. Kindern? Kinderquote?
Vielleicht noch Arbeitslosenquote? Im Bundestag? Das Wahlvolk besteht durchschnittlich
aus 56% Frauen - wenn die als Vertreter Männer wählen - so sollte
man dies respektieren.
Noch 'ne andere Frage: Wie hat dir Mythos Männermacht eigentlich
abschließend gefallen?
Also erstmal: Die Frauenquote ist nicht dämlich!!
Was meinst du wieviel unqualifizierte Männer in den Büros und
wieviel qualifizierte Frauen auf der Straße sitzen, weil man sich
einfach lieber auf einen Mann verläßt, bei dem man wenigsten
weiß, woran man ist (Ist das ironisch?) als daß man sich auf
eine Frau verläßt, die sich noch nie in einem Beruf in einer
Führungsposition bewährt hat, einfach weil sie die Möglichkeit
noch nicht hatte.Wenn es eine Frauenquote gäbe, müßten
wenigstens nicht Männer über das Abtreibungsrecht bestimmen,
wenn es eine Frauenquote gäbe, müßte der "Spiegel"
wenigstens nicht in jeder fünften Ausgabe über das Wunder der
Frauen in der Politik berichten. Das Argument, wenn Frauen Männer
wählen, sollte man diese auch respektieren, ist total behämmert.
Wenn einfach nicht genug Frauen da sind, die man wählen kann, bleibt
einem in Endeffekt nichts anderes übrig. Zu Mythos Männermacht:
Erstens gutes Buch, das viele Denkanstöße beinhaltet und einen
viele Dinge neu überdenken läßt, zweitens möchte ich
mich der Meinung Farrells anschließen: Das Hindernis zur wirklichen
Gleichberechtigung ist die Unfähigkeit beider Geschlechter zu einem
offenen Dialog. Jetzt gilt es diesen Dialog zu führen, sich einander
Mut zu machen und sich nicht hinter falschen Vorurteilen zu verstecken.
Ich seh schon die Diskussion muß weitergehen
und unser Artikel zuende. Und da ich sowieso schon mehr geredet habe...
typisch Mann! Ich habe übrigens letztens im Focus über das MAS
(Männer-Antwort-Syndrom) gelesen. Demnach antworten Männer immer
- auch wenn sie nicht gefragt wurden. Hihi. Ich fand übrigens das
Buch vor allem deswegen so gut, weil wir einen erheblichen Informa-tionsmangel
haben und deswegen oft mit Vorurteilen diskutieren. Ich wußte vor
dem Lesen jedenfalls nicht, daß Männer drei Mal so oft Opfer
von Gewalttaten werden wie Frauen, daß jährlich 1 Mio. Männer
allein in Gefängnissen vergewaltigt werden, und demgegenüber
120.000 Frauen jährlich insgesamt. Ebenfalls hatte ich keine Ahnung
über die Gefährlichkeit des Müllmann-jobs (auch ein "Todesberuf")
- vielleicht schaue ich Müllmänner in Zukunft auch eher an wie
schwangere Frauen. Müllmänner machen unseren Dreck weg und gehen
dabei ein enormes Risiko ein - dafür verdienen sie nicht Verachtung
sondern Anerkennung.
Wer hat jetzt eigentlich in unserem Streit gewonnen?
Na ich! Neenee, die Gleichberechtigung von mir
aus...
...und die neue Diskussion um die Geschlechterrollen.
Und allen sei natürlich Warren Farrels "Mythos
Männermacht" sehr empfohlen!
Auch im Regenbogen soll in Zukunft weiter über
das Thema gestritten werden. Deswegen...
schreibt uns, Leser und Redakteure! Wir drucken's
ab...
...wenn wir wollen.
Ach so?
Ich möchte übrigens das letzte Wort
haben, du hast schließlich angefangen.
Na gut.
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