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Ausgabe 18

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Buchempfehlung
"Nicht mich will ich retten"
Wer den Namen Janusz Korczak überhaupt kennt, weiß wahrscheinlich,
daß er der Leiter des Waisenhauses war, der mit "seinen"
jüdischen Kindern ins KZ ging, obwohl er Gelegenheit hatte, sich zu
retten. Wer seine vor kurzem erschienene Biographie gelesen hat, kann auch
nachempfinden, warum.
Während seines ganzen Erwachsenenlebens war Korczak aktiv auf der
Seite der Armen und Unterpriviligierten, obwohl er als Arzt einer anderen
Schicht angehörte. Zu den am meisten Unterdrückten zählte
er ein Drittel der Warschauer Bevölkerung - die Kinder. Ihnen widmete
er mehr und mehr sein Leben, nachdem er seinen Arztberuf aufgegeben hatte.
Kurze Zeit davor übernahm er während eines Urlaubs die Betreuung
von sogenannten Sommerkolonien, eine Ferieneinrichtung für arme Warschauer
Kinder. Hier begann Korczak mit seiner Arbeit mit und für die Kinder.
Später wurde er Leiter eines jüdischen Waisenhauses. Ganz im
Gegensatz zur üblichen Auffassung von Erziehung waren Korczak nicht
Gehorsam und Pünktlichkeit der Kinder wichtig, sondern "Gerechtigkeitsempfinden,
Hilfsbereitschaft, Entwicklung des eigenen Willens (Autonomie) und Fähigkeit
zum Verzicht". Wer das Gemeinschaftsleben im Heim "störte",
wurde nicht von den Betreuern bestraft, sondern kam vor das von den Kindern
selbst verwaltete Gericht, deren Richter sie selbst gewählt hatten.
Das Gericht konnte Taten mißbilligen und Ausschlüsse von Gemeinschaftsaktivitäten
verhängen. Es konnte aber auch verzeihen. In den Statuten stand: "Wenn
jemand etwas böses tut, so ist es am besten, wenn man ihm verzeiht".
Und §1, der am öftesten zur Anwendung kam, lautete: "Die
Klage wird zurückgezogen". Es war selbstverständlich, daß
sich auch die Erwachsenen vor dem Gericht verantworten mußten, wenn
sie angezeigt wurden. Diese Praxis bestätigte die Grundlage von Korczaks
Arbeit: Kinder werden nicht erst zu Menschen, sie sind bereits welche.
Janusz Korczak hat auch viele Bücher geschrieben. Sein berühmtestes
ist das Märchen vom König Hänschen, daß in der Biographie
so beschrieben wird, daß man es unbedingt lesen möchte.
Die tragische Geschichte Polens in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts,
die furchtbare wirtschaftliche Lage, die Armut und schließlich die
drohende Vernichtung der Juden lösten bei Korczak immer wieder Verzweiflung
und Depression - aber auch Kampfeswillen und Stolz - aus. Und so war es
für ihn selbstverständlich, daß er seine Kinder nicht alleine
gehen ließ.
Der Titel von Korczaks Tagebuch hieß: "Nicht mich will ich retten,
sondern meine Idee". Damit das gelingt, sollten viele seine Bücher
lesen. Die 100seitige Biographie von Monika Pelz (erschienen im Beltz Verlag)
trägt dazu bei und ist empfehlenswert für alle Interessierten.
Nora Felidae
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