KinderRächtsZeitung Regenbogen
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Ausgabe 24

Editorial
KRÄTZÄ erkundet dänisches Schulsystem
Im Internet gut gefunden
Wahlrecht ohne Altersgrenze
Nie wieder Prügelstrafe!
Züchtigung verbieten!
K.R.Ä.T.Z.Ä.-Aktionen
Gedicht (Lena Grünberg)
Freundschaft mit Kindern - à la Schoenebeck (Mike Weimann)
K.R.Ä.T.Z.Ä. macht Geschichte
K.R.Ä.T.Z.Ä. auf japanisch
Kinderrechtliche News
Wie es zum Menschenrechts-Report kam... - ... und was wir mit ihm machten
Die Diskriminierung des Kindes - ein Menschenrechts-Report (Teil 1)
Nix ist ohne Geld alles Mist

Cover Ausgabe 24
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Wahlrecht ohne Altersgrenze


was bisher geschah

So, für alle die es schon wieder vergessen haben, noch gar nichts über unsere Wahlrechtskampangen gehört haben, nicht von Anfang an dabei waren oder alles einfach nochmal durchlesen wollen, hier eine Zusammenfassung der ganzen Ereignisse und Aktionen.

Chronologische Reihenfolge der Ereignisse

Vom Ende des Jahres 1993 bis Februar 1994 haben wir am Grips-Stück "Die Moskitos sind da!" bei der Aufstellung eines Parteiprogrammentwurfes das im Programmheft abgedruckt wurde, mitgearbeitet. In dem Stück ging es darum, daß die Politiker aus Wählermangel das Wahlrecht ab 10 eingeführt hatten. Daraufhin gründete sich aber, zum Ärger der Politiker, eine eigene Kinderpartei. Nachdem wir an diesem Theaterstück mitgearbeitet hatten, kamen wir auf die Idee, das Wahlrecht für Kinder einzuklagen. Im November 1994 nahmen wir an einer Fernsehtalkshow zum Thema Kinderrechte teil. Bei dieser Talkshow trafen wir Herrn Merk und fragten ihn, ob er sich vorstellen könnte, uns juristisch zu vertreten. Was dabei herausgekommen ist, ist ja bekannt.
Am 23. August 1995 legten Benjamin Kiesewetter und Rainer Kintzel in Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde wegen Vorenthaltung des Wahlrechts ein. Diese Klage wurde am 15. Januar 1996 abgelehnt, mit der Begründung, daß eine Verfassungsbeschwerde, die gegen ein Gesetz gerichtet ist, nur binnen eines Jahres nach Verabschiedung des Gesetzes, erhoben werden kann. Das hieße aber, daß Benjamin und Rainer die Klage bereits Anfang der 50er Jahre hätten einreichen müssen, also lange vor ihrer Geburt.
Daß das Gericht sich so herausgeredet und nicht auf unsere Argumentation eingegangen war, war zwar ziemlich enttäuschend, aber wir hatten trotzdem den Beginn einer öffentlichen Diskussion herbeigeführt und damit auch auf die Diskriminierung von Kindern in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen, wie zum Beispiel in der Schule und in der Familie, aufmerksam gemacht.
Mit diesem Urteil gaben wir uns natürlich nicht geschlagen und überlegten, wie wir die Ein-Jahres-Frist umgehen könnten. Wir entschlossen uns, uns durch die Instanzen zu klagen. Am 23. August 1996, also ein Jahr nach der Verfassungsbeschwerde, beantragten vier von uns, die bei der Bundestagswahl noch nicht 18 waren, ins Wahlverzeichnis aufgenommen zu werden. Die Wahlämter lehnten unseren Antrag nicht offiziell ab, sondern schickten nur eine ablehnende  Mitteilung, in der sie uns auf das Bundeswahlgesetz hinwiesen. Wir konnten also keinen Widerspruch einlegen.
Dann zog sich das ganze ein Jahr lang hin, bis Robert Rostoski am 4. Mai 1997 beim Wahlamt Mitte beantragte, ins Wahlverzeichnis aufgenommen zu werden. Am 14. Juni 1997 lehnte das Wahlamt Mitte Roberts Antrag ab. Daraufhin legten wir Widerspruch ein. Es dauerte dann ca. ein halbes Jahr, bis das Wahlamt unseren Widerspruch am 28. Januar 1998 ablehnte. Am 12. Februar 1998 reichten wir Klage gegen diese Entscheidung des Bezirkamtes von Berlin-Mitte ein.

Aktionen im Rahmen der Wahlrechtskampagnen

Am 23. August 1995 gaben wir eine Pressekonferenz anläßlich der Einreichung der Verfassungsbeschwerde, daraufhin wurde in allen deutschen Tageszeitungen über uns berichtet.
Ende September nahmen wir am natur-Kindergipfel in Berlin teil und veranstalteten einen Workshop zum Thema Wahlrecht mit der Forderung: "Ein Mensch - Eine Stimme!"
Auch in den folgenden Wochen gab es noch zahlreiche Medienauftritte wegen der Verfassungsbeschwerde.
Im November nahmen wir an der zweitägigen Tagung der Grünen Bundestagsfraktion "Vorfahrt für Kinder" teil, auf der unsere Forderung ein großes Thema war.
Vom 22. - 24. Januar 1996 wurden wir von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg zum Hochschultag eingeladen, um einen Workshop zum Kinderwahlrecht zu veranstalten.
Zwei Monate später gab es im Berliner Abgeordnetenhaus eine Diskussion der Grünen zu diesem Thema, an der wir uns ebenfalls beteiligten. Einige Zeit später lud uns die Berliner PDS zu ihrer Fraktionssitzung ein.
Am 22. April 1996 waren wir eingeladen, in Bonn mit der Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer über das Wahlrecht für Kinder zu sprechen. Mit zwanzig Leuten war es unsere bis dahin umfangreichste K.R.Ä.T.Z.Ä.-Fahrt.  Nach der Fahrt entwickelte sich ein Briefwechsel mit Frau Vollmer.
Anfang Juni fuhren wir zum 4. Linken Medienspektakel, um an einer Podiumsdiskussion teilzunehmen.
Die letzte öffentliche Aktivität zum Kinderwahlrecht im Jahr 1996 war die Fahrt nach Kassel zum Jugendhearing der Bündnisgrünen.
Sechs Wochen später diskutieren wir in Niedersachsen mit Schülern und Politikern.
Auch auf dem LandesSchülerInnenAusschuß Berlin ging es ums Kinderwahlrecht, ebenso auf dem 4. Jugendmediencamp in Blankerförde.
Am 12.04.1997 sind zwei von uns nach Krefeld zum Bundesdeligiertentreffen des Grün-alternativen Jugendbündnisses gefahren. Nach der Diskussion zum Wahlrecht ohne Altersbegrenzung hat das GAJB beschlossen, unsere Forderung zu übernehmen.
Im September 97 fuhren zwei KinderRÄchTsZänker nach Krefeld zu einer Podiumsdiskussion u.a. mit Franz Müntefering und der Jugendministerin von NRW.
Am 10. Oktober war K.R.Ä.T.Z.Ä. von der Grünen Jugend nach Mainz eingeladen, um mit grünen Abgeordneten und dem Landtagspräsidenten zu diskutieren.
Vom 12. - 16. Oktober 1997 waren wir beim JUMJA ’97 (JugendUMweltJAhrmarkt) in Elmshorn und haben unter anderem einen Arbeitskreis zum Thema Wahlrecht ohne Altersgrenze geleitet.
Vom 7. - 9. November 1997 waren wir dann beim Gründungskongreß der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen und nahmen bei der Arbeitsgruppe "Gleichberechtigung der Generationen" teil, welche einstimmig Wahlrecht für Kinder und Gleichberechtigung der Generationen forderte.
Im Juni 1998 fuhren zwei Leute nach Mainz zum Kirchentag der "Initiative Kirche von unten" zur Diskussionsrunde über Kindermitbestimmung.
Im September 1998 erschien ein Geschichtsbuch, in dem unsere Wahlrechtsforderung abgedruckt ist.
Auch 1998 waren wir beim JUMJA und haben wieder einen Arbeitskreis zum Thema Wahlrecht angeboten.

und wie es weiterging

Klage vor dem Verwaltungsgericht

Bereits im Februar 1998 hatten wir die Klage vor dem Berliner Verwaltungsgericht eingereicht. Die Zeit verging, der Tag der Bundestagswahl kam näher, aber das Gericht reagierte nicht.
Mitte August teilte unser Rechtsanwalt Dr. Merk dem Gericht (und wir mit einer Pressemitteilung der Öffentlichkeit) mit, daß wir die Bundestagswahl anfechten würden, wenn es bis dahin keine Gerichtsverhandlung gäbe.
Schon fand sich ein Termin für uns. Montag, den 14. September 1998, 10 Uhr sollte es zum ersten Mal in der Geschichte Deutschlands eine mündliche Gerichtsverhandlung über das Kinderwahlrecht geben.
Im Gericht trafen sich dann Herr Merk, Robert Rostoski, zwanzig weitere KinderRÄchTsZÄnker, zahlreiche Journalisten (darunter fünf Kamerateams) und der Richter, sowie die Beklagten vom Bezirkswahlamt Mitte.
Die Verhandlung dauerte insgesamt eine gute Stunde. Um die eigentlichen inhaltlichen Punkte ging es aber gar nicht, sondern nur darum, ob die Klage überhaupt zulässig ist.
Knapp zwei Stunden nach der Verhandlung wurde das Urteil mündlich bekanntgegeben: Klage unzulässig. Das Verwaltungsgericht dürfe nicht in die Durchführung der Bundestagswahl eingreifen. Das Gericht sei nicht zuständig, wenn es um die Beanstandung des Wahlverzeichnisses geht. Dafür sei der Bezirkswahlleiter zuständig, gegen dessen Entscheidung, wir ja gerade geklagt hatten. Praktisch bedeutet dies eine grundgesetzwidrige Abschneidung des Rechtsweges! Denn nach Art. 19 (4) GG steht jedem, dessen Grundrechte verletzt werden, der Rechtsweg offen.
Zulässig wäre die Klage nur gewesen, wenn es ein "zu abstrahierendes Feststellungsinteresse" gegeben hätte, was es aus der Sicht des Richters aber nicht gab.  Im Gegensatz zum Fall eines Auslandsdeutschen, der sein Wahlrecht grundsätzlich eingeklagt hatte, ginge es im Falle Rostoski nur um die bevorstehende Bundestagswahl, weil der Schüler danach 18 sei und an Wahlen teilnehmen dürfe.
Nur weil Kinder irgendwann erwachsen werden und somit aus ihrer rechtlichen Benachteiligung herauswachsen (im Gegensatz zu Auslandsdeutschen und früher z.B. Frauen), heißt das aber noch lange nicht, daß es kein grundsätzliches Feststellungsinteresse in diesem Fall gibt. Ganz im Gegenteil: Wir wollen ja gerade, daß "abstrakt" festgestellt wird, daß es verfassungswidrig ist, die Unter18jährigen pauschal von der Wahl auszuschließen.
Als Alternative schlug uns das Gericht vor, die Bundestagswahl anzufechten.

Anfechtung der Bundestagswahl

Jetzt – nach der Bundestagswahl – gibt es eine weitere Möglichkeit, eine Änderung des undemokratisch geregelten Wahlrechts herbeizuführen: ein Wahlprüfungsverfahren (= Anfechtung der Bundestagswahl). Das geht so: Zunächst beanstandet man die Wahl beim Wahlprüfungsausschuß des Deutschen Bundestages. Anschließend stimmt der Bundestag über den Beschluß des Wahlprüfungsausschusses ab. Gegen diese Entscheidung ist Klage beim Bundesverfassungsgericht möglich. Bei der Beschwerde gegen den Beschluß des Bundestages vor dem Verfassungsgericht ist es erforderlich, daß dem Beschwerdeführer 100 Wahlberechtigte beitreten. Diese Leute suchen wir gerade. Auch Du kannst dazugehören.
Wir haben vor, daß nicht nur Robert Rostoski, der mit dem Antrag auf Eintragung ins Wählerverzeichnis gescheitert ist, ein entsprechendes Verfahren einleitet, sondern auch noch Martin Wilke, der bereits 18 ist und Paula Sell (14), deren Alter unser grundsätzliches Ansinnen – die Gleichberechtigung ohne Altersgrenze – so richtig deutlich macht.
Natürlich werden wir das ganze wie immer mit unserer Öffentlichkeitsarbeit unterstützen. Dabei werden wir auch deutlich machen, daß unsere Position vom konkreten, aktuellen Wahlausgang ganz unabhängig ist. Daher geht es uns auch eigentlich nicht um Neuwahlen und natürlich sind wir auch nicht an einer Destabilisierung der politischen Lage Deutschlands interessiert J. Wir erhoffen vor allem, daß sich die Bundestagsabgeordneten und die Richter und letztlich dadurch die Öffentlichkeit mit unseren kinderrechtlichen Forderungen auseinandersetzen werden. In der Vergangenheit gab es schon mehrfach Wahlprüfungsverfahren, die nicht zur Neuwahl des Bundestages geführt haben, die jedoch prinzipielle Weichenstellungen für die Zukunft ausgelöst haben.
Und jetzt kommt es:
Für diese Aktion und die Rechtsberatung in dem Verfahren kommen auf uns erneut Kosten zu (ca. 12.000 DM). Da ein von uns eingeplanter Zuschuß in Höhe von 5.000 DM abgelehnt wurde, sind wir sehr um die nötigen Einkünfte besorgt. Wenn man davon ausgeht, daß 100 Unterstützer je 100 DM zahlen (einige mehr – einige weniger) und wir die restlichen 2.000 DM selber bezahlen, könnte es doch noch klappen. Vielleicht hast Du (oder Dein Freund oder Deine Oma oder Dein Verein) einen Zuschuß für unsere Aktion übrig?! Frag uns nach einem vorausgefüllten Überweisungsträger!
Spendenquittungen von uns können übrigens beim Finanzamt zum Steuernsparen eingereicht werden.

Anna Fischer und Martin Wilke

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