KinderRächtsZeitung Regenbogen
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Ausgabe 13

Editorial
Und Ihr habt nichts gewußt?
Theater: "Die Moskitos sind da!"
Kontrovers: Demokratie ist unteilbar! - Ein Fünftel der Deutschen ohne Wahlrecht
Wahljahr '94: Wohin rollt der Zug Deutschland?
Serie: Adolf Hitler - Das Leben des Diktators / Teil 2
Buchtip: "Julie von den Wölfen"
HEADLINES
17. Kinderfilmfest - 22 Kinderfilme aus allen Kontinenten
Kinderrechte: Was hat sich in Deutschland für Kinderrechte getan?
Buchtip: "Mein Leben mit den Schimpansen"
Interview: Primatenforscherin Jane Goodall: "Tiere verstehen lernen"
Schule: Alternativschulen in Deutschland?
Theater: "Heißes Eisen" - Ein Stück über Liebe mal anders
Laserbriefe
Aktuell: Der gewisse Reiz - Warum so viele Schüler klauen

Cover Ausgabe 13
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Theater
Die Moskito-Forderungen sollen ernst genommen werden

Die Moskitos sind da!"

Das neue Kinderrechtsstück im Grips Theater

Unbestimmte Zukunft: Den Politikern laufen die Wähler weg (Zukunft?). Ausländer wählen lassen? Geht nicht, die wählen alle links. Wie wäre es mit den Kindern? Die sind doch leicht zu beeinflussen! Das haben sich die Politiker einfach so gedacht.. Doch wer wählen darf, darf auch gewählt werden...

"Good morning Berlin" heißt es in der ersten Szene, die in einem Klassenzimmer des Fürst-Pückler-Gymnasiums stattfindet. Eine besondere Überraschung lauert heute auf Lee/hrkörper und Schüler. Die Tochter des Bundeskanzlers Manfred Hülsendonk (Stefan Gossler), Julia (Eva Blum), wird auf aüsdrücklich eigenen Wunsch nach Berlin verfrachtet und kommt in die Klasse von Chris (Christian Giese), Sunny (Anja Lais), Arnold (Thomas Nicolai), Ali (Axel Prahl) und Frank (Volker Kellner), wobei sich letzterer als einziger freut. Julia, die eigentlich vom Bundeskanzler begleiten werden sollte, rückt mit einer "Ersatzhülse", ihrem Leibwächter Sigurd Heinze (Christian Veit), an. Der Rektor (Dietrich Lehmann) möchte aber trotzdem das Willkom-mensständchen hören, was Julia zum Verhängnis wird, weil der Hauptteil der Klasse nicht "Willkommen" sondem "Verpiß dich" singt. "Ich wollte nie in diese Pißstadt", sagt sie, "das hat sich doch der Kanzleramtsminister Lindau ausgedacht".

"Gegen Schulpflicht und Freiheitsberaubung"

Lindau ist es auch, der in der nächsten Szene den Beleidigten spielt. Der Sponsor McBrumm (Stuttgart) ist nicht mehr bereit zu zahlen. Die Sponsoren McBeef (für die EDU) und McEis (für die SGD) wollen auch nicht mehr zahlen, wenn nicht bald eine Garantie für mehr Wählerstimmen da ist. Ausländerwahlrecht geht nicht. Die wählen alle links. Wie wär's denn mit Kindern, die sind leicht zu beeinflussen besonders mit Hamburgern und Eis, und keiner kann mehr sagen, der Staat sei kinderunfreundlich.

Doch die Politiker beschließen mehr, als sie eigentlich wollen. Das merkt Sebastian Frommlewitz (Andreas Hoppe), der Vater von Chris. Das Wahlalter wurde von 18 auf 10 herabgesetzt, und wer wählen darf, darf auch gewählt werden. Und weil Chris die ganze Kinderverarschung sowieso auf den Geist geht, gründet er eben mit Sunny, Arnold und Ali, der als Türke allerdings gar nicht wählen darf, die EDKUJP (1. Deutsche Kinder- und Jugendpartei). Die Flugblattaktion und das Treffen auf dem Teufelsberg bringt gar nichts, außer vielleicht, daß die kleine Ilka samt der 2a und der 3b eintreten will, das Problem: Wahlrecht ist erst ab 10. So wird das, nach dem Ausländerwahlrecht und der Forderung, die Schulpflicht und somit die Freiheitsberaubung der Kinder abzuschaffen, eine der neuen Forderung der Kinderpartei. Doch das gewisse Etwas fehlt, so wird aus der EDKUJP "Die Moskitos" und richtige Aktionen sind auch schon geplant.

Die nächste Szene spielt wieder in der Schule bei einem Elternabend. "Diese Verbrecherbande muß gestoppt werden" "Alles voll von Hühnem. Die haben die ganzen Hühner aus den Käfigen gelassen. Pickpickpickpickpick!" "Und das Europa-Center. Von oben bis unten mit Farbe beschüttet " "Man kann ja gar nicht mehr parken. Die haben aus allen Parkplätzen Abenteuerjungel gemacht." "Meine Tochter hat mir letztens Fernsehverbot erteilt. Sie - mir!" Schuld an allem sei die Schule, das Verbrechernest. Beate Hülsendonk, die Frau des Bundeskanzlers (Hanna Petkoff), Sebastian Frommlewitz und Corinna Scheuven (Adelheid Kleineidam), die Klassenlehrerin stehen da ziemlich alleine da, sie finden die Aktionen nämlich toll.

Auch Julia findet Gefallen an den "Moskitos" und eines Tages muß sie sich entscheiden. Ihr Vater Dr. Manfred Hülsendonk ist es nämlich, der seine Wahlveranstaltung direkt vor dem buntbemalten Europacenter stattfinden läßt. 50 Meter daneben: "Die Moskitos". Hülses Wahlrede richtet sich an die neue Partei: "Ich bin ein Erwachsener. Und trotzdem bin auch ich einmal Kind gewesen." Lachen im Saal. "Ach was!" kommt von den "Moskitos". Und wo die EDU eine Wahlveranstaltung macht, fehlen die Alten natürlich nicht, um ihren Senf dazuzugeben: "Gegen Hülse, Lindau, Kanther, helfen nur die Schlauen Panter!" "...Und die Moskitos!" "Achja".  Doch Fiesling Lindau läßt sich seine Veranstaltung nicht zerstören. Einige Schlägertrupps helfen da schon, wenn man eine Partei loswerden will... In der Mos-Disco, der "Parteizentrale", ist viel los. "Nein, das ist nicht von uns: 'Führerschein ab 12' - ihr habt wohl 'ne Macke!" "Zahnärzte abschaffen? Und wat machste, wenn dir ein Zahn ganz doll wehtut? Außerdem habe ich einen Zahnarzt, der ist ganz süß! "Ilka steckt ihr Telefon in die-Tasche: "Man sind die Sechsjährigen blöd!"

Da die Demo der Moskitos verboten wurde, wird am Grunewaldsee gefeiert. Aber auch dieses Treffen wird verboten. Sigurd Heinze rennt hinter Beate Hülsendonk hinterher: "Der Kanzleramtsminister sagt, sie sollen sofort kommen!" "Haha, die Tricks kenn' ich!"Ihr Mann soll Landesverrat begangen haben." "Was hat denn der noch zu verraten?" Aber schon bald taucht die Polizei auf und es gibt Ärger. Rocker Mücke sorgt dann dafür, daß die Polizisten zu Menschen werden. Fotos von den Kindern werden herumgereicht. Konfetti fallen vom Himmel herab. Ironie total. Wo ist die Geschichte ernst gemeint, wo fängt die Komödie an?

Auf jeden Fall in der nächsten Szene. Corinna Scheuven und Sebastian Fromrnlewitz sind, wie auch Julia und Chris, ein Paar geworden. Es ist ein Uhr nachts und Chris ist noch nicht zu Hause. Es klingelt. "Wer ist da?" "Der Bundeskanzler" "Haha, mach'. daß du raufkommst, du Lümmel!" Doch erschreckenderweise steht dann doch der Bundeskanzler vor der Tür, stockbesoffen und ganz ohne McBeef-Cap auf dem Deckel. Kinderträume erwachen und Manfred singt: "Kleines Karussel, dreh' dich nicht so schnell..."

Das Stück ist noch lange nicht zuende. Bevor es aber eine völlige Komödie wird, verkrachen sich Chris und Julia wieder, was Lindau sehr zurechtkommt. Am Ende bleibt der totale Sieg der "Moskitos". Über 40% erhalten sie, als Koalitionspartner bleiben die "Schlauen Panter" mit ihrem Spitzenkandidaten "Mister X aus der Mitte der Macht". Chris wird Bundeskanzler und die Kinderrechtsforderungen gehen in Erfüllung. "Schade", denkt sich sicherlich so mancher, "ist alles nur ein Theaterstück."


Die Moskito-Forderungen sollen ernst genommen werden

Die Forderungen dürfen durchaus ernstgenommen werden. Das Gripstheater hat mit verschiedenen Kinderrechtsgruppen, u.a. mit den KinderRÄchtsZÄnkem (K.R.Ä.T.Z.Ä.), ein Moskito-Parteiprogramm erarbeitet, das im FEZ aushang, damit Kinder Kommentare dazu aufschreiben konnten.

Pressereaktionen: Die Springer-Presse hat über das Stück sehr positiv geschrieben, was kein Wunder ist. Vor Jahren waren alle Grips-Stücke noch kommunistische Propaganda. Heute kann man das nicht mehr so schreiben; aber man macht es sich einfach, man nimmt die Stücke einfach nicht ernst. Da hat es die "seriöse" Presse nicht so leicht. Das Thema "Gleichberechtigung von Kindern und Erwachsenen" ist vielleicht nicht so leicht zu schlucken. So ist Chris laut ("Süddeutsche Zeitung") "Der pubertierende Kanzler". Die "Zitty" schrieb, alles wäre "Quatsch mit Soße", und der Spiegel "Moskito im Sturzflug". Aber alle reagierten sie auf den provokanten Spruch im Programmheft von Che Guevara: "Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche!"

Das Stück von Volker Ludwig ist sehr witzig, die Musik ist wie immer toll. Die Schauspieler spielen genial und trotz der Länge von ca. drei Stunden ist das Stück an fast keiner Stelle langweilig. Wer das verpaßt, ist selber schuld!

Von Benni Kiesewetter

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