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Ausgabe 13

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Schule
Alternativschulen in Deutschland?
Sie nennen sich "Waldorf" oder "Montessori"-Schulen. Der tägliche
Besuch ist Pflicht. Inwiefern sie Alternativen zur "normalen" Schule bilden,
ist vielen nicht ganz klar.
Das deutsche Schulsystem befindet sich ohne Frage in einem katastrophalen
Zustand. Kinder werden gezwungen in die Schule zu gehen. Dort sollen sie
den ganzen Vormittag sitzen und konzentriert an Themen arbeiten, die sie
zum größten Teil gar nicht interessieren. Deutschland bildet
mit der "Schulpflicht" eine Ausnahme; in der gesamten Europäischen
Gemeinschaft gibt es kein anderes Land mit "Schulpflicht". Die anerkanntesten
Zeitschriften (zuletzt FOCUS und SPIEGEL) berichteten ausführlichst
über unser völlig zurückgebliebenes Schulsystem. Es heißt
aber immer noch, es gäbe Alternativschulen, die vom Staat genehmigt
würden, ein Beispiel wären dafür die Schulen, die sich "Montessori-Schulen"
nennen.
Die Idee Maria Montessori war es,
Maria Montessori: "Das ist die Situation des Kindes,
das in der Umwelt der Erwachsenen lebt: Ein Störenfried, der etwas
für sich sucht und nichts findet, der eintritt und sogleich fortgewiesen
wird. Seine Lage ähnelt der eines Menschen, dem die bürgerlichen
Rechte und das Recht auf seine Umwelt aberkannt worden sind: Es ist ein
an den Rand der Gesellschaft verwiesenes Wesen, das jedermann ohne Respekt
behandeln, beschimpfen und strafen kann, dank einem von der Natur verliehenen
Recht: dem Recht der Erwachsenen." |
eine Schule aufzubauen, in der Kinder sich nach eigenen Interessen bilden,
und das auch nur dann, wenn sie Lust dazu haben. Die Lehrer sollten nur
helfen, wenn sie gefragt wurden und nicht wie in den "normalen" Schulen
Lerntempo, -ziel und -zweck bestimmen. Den Schülern sollte sogenanntes
"Montessori-Material" zur Verfügung gestellt werden, mit dem sie fast
alle Fragen klären könnten. So weit so gut, was jedoch ist aus
dieser ansich guten Idee geworden?
Um diese Frage beantworten zu können, besuchten wir eine dieser
Schulen. Viele Pflanzen und eine Gruppentischordnung ließen die Klasse
viel gemütlicher aussehen, als es bei "normalen" Schulen üblich
ist. Aber auch hier haben die Kinder gewisse Pflichten, so gibt es beispielsweise
auch hier den 45-Minuten-Takt, nach jeder zweiten Stunde müssen die
Kinder auf den Hof, und wenn die Lehrerin mit ihrer Glocke läutet,
müssen sich alle auf ihren Platz setzen und ruhig sein. So wird also
auch an der Montessori-Schule die Freiheit des Kindes sehr begrenzt. Die
ursprüngliche Idee Montessoris ist in dieser Schule leider kaum noch
vorhanden. Die heutige Montessori-Schule ist zwar ein Anfang zur Besserung,
aber keine wirkliche Alternative, schon deshalb, weil sie nur aus Schülern
der 1. und 2. Klasse besteht.
Die Idee der "Waldorf-Schulen" ist es, daß jeder Schüler
für sich ein Individuum ist und seinen Körper frei entwickelt
ohne dabei durch fremde Einflüsse gestört zu werden (was man
auch immer darunter verstehen möge ... ). Fernsehen zerstöre
den Organismus des Kindes, heißt es. Medien werden daher im Unterricht
überhaupt nicht benutzt, Musik wird selber gemacht, Videos, CDs oder
Kassetten gibt es nicht.
Die gesamte Waldorf Pädagogik wurde von Rudolf Steiner im Jahre
1919 ausgearbeitet. Ein wichtiger Teil dieser Pädagogik ist die Eurythmie,
die fast jeden Tag ausgeübt wird. Eurythmie ist die Umsetzung von
Worten, Lauten oder Melodien in Bewegungen. Die Waldorf-Pädagogik
erlaubt jede Religion und setzt in dieser Richtung keine Einschränkungen,
daher gibt es an der Rudolf-Steiner-Schule in Berlin fünf verschiedene
Religionsunterrichtsformen. Auch bei der Waldorf-Schule stellt sich nun
die Frage, ob sie eine wirkliche Alternative zu anderen Schulen ist. Trotzdem
die Unterrichtsform meistens anders ausgeführt wird, müssen Waldorf-Schüler
oftmals noch mehr Regeln befolgen, als anderswo. So darf an manchen Waldorf-Schulen
kein Kleidungsstück mit einem Markenzeichen getragen werden. Kindern
wird an vielen Schulen Fernsehverbot erteilt, an vereinzelten "Waldorf-Schulen"
soll es sogar vorgekommen sein, daß Lehrer die Eltern und Kinder
zu Hause besucht haben, um nachzugucken, ob die Familie einen Fernseher
hat.
Richtige Alternativschulen gibt es auch. Ein Beispiel wäre da
die "Freie Schule Berlin", die sich in auf dem UFA-Gelände
befindet. Doch auch an diesen Schulen ist die Anwesenheit Pflicht. Das
liegt an unserem Gesetz. Freie Schulen für Oberschüler gibt es
sowieso kaum. Selbst die meisten freien Grundschulen, werden nach einer
Zeit verboten (Beispiel: "Freie Schule im Mehringhof") Erst nachdem
eine "Freie Schule" sechs Jahre lang erfolgreich besteht, kann sie überhaupt
staatlich gefördert werden, was noch lange nicht heißt, daß
sie dann auch wirklich gefördert wird. So sind die meisten "Freien
Schulen" privat zu finanzieren. Und wer hat schon das Geld?
Man muß endlich begreifen, daß es nichts nutzt, Kinder
in die Schule zu zwingen, wenn sie keine Lust haben, weil man lustlos sowieso
kaum etwas lernt. In Deutschland ist es gesetzlich verboten, eine Schule
zu errichten, die ohne Anwesenheitspflicht, Leistungsbewertung und Hausordnung
auskommt und den Kindern das beibringt, was sie selber wollen!
Daß Schule für viele Kinder schon oftmals eine Lernbehinderung
darstellt, ist den Gesetzgebern, Leerem und Direktoren egal, Hauptsache,
ihr Stoff wird durchgezogen...
Oliver Trenkamp
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