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Ausgabe 15

Editorial - Der Neue "Regenbogen"
Drogen: Hanf
Schule - Gefangen
Fiktive Welt: Unterwegs nach Utopia
Kinder- und Jugendparlament
Denkanstoß: Meinungsfreiheit
Kultur-Beilage
Rob Roy
Funny Bones
Mister Coll
DROP ZONE
Die Bibel 2.0
Augenblick, mal! - Das 3. Deutsche Kinder- und Jugendtheatertreffen in Berlin
"Ist es überhaupt Theater?"
Treffgleis 5
Neulich, im Radio:
Kinderfilmfest 95
Interview mit Maria Schell
Neuerscheinungen
... Und Tschüß

Cover Ausgabe 15
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Kinder- und Jugendparlament

Jugendliche durften im Abgeordnetenhaus Jungpolitijer spielen oder schlafen ... oder zuhören, was die Politiker ihnen zu sagen hatten

Zur Erklärung: Veranstaltungen oder Institutionen wie das "Kinder und Jugendparlament" gibt es unfefähr 10-100 mal im Jahr und in fast jeder halbwegs großen Stadt: Der "Kindergipfel", das "Parlament der Kinder", "Kids beraten den Senat", das "Kinderforum" und so weiter und so fort!
Es ist fast jedes Mal das Gleiche: Kinder stellen Fragen oder stellen Forderungen wie "Tempo 30 in der Ekkehard-Bimmelmann-Straße!" oder "Keine Hundekacke mehr auf dem Spielplatz vor'm Karl-Otto-Platz!".
Die anwesenden Politiker stimmen zu und versprechen sich zu kümmern, oder wehren ab und sagen, die Forderungen seien übertrieben. Nach zwei, drei Jahren wird unter Umständen sogar Tempo 30 eingeführt oder die Hundekacke entfernt (unter Umständen!) und am nächsten Tag kann man die fröhliche Botschaft in der Zeitung lesen: "Kinder an die Macht!"

Als ich also Anfang März dem Abgeordnetenhaus in Berlin einen Besuch abstattete, wußte ich schon ziemlich genau, was mich erwartete, glecih beim Einlaß machte ich eine neue Bekanntschaft: Nachdem mir der Aufpasser zuerst meinen Rucksack wegnahm, mich dann erst nicht reinlassen wollte und mich dann anschnautzte, weil ich kurz über eine Absperrung sprang, sagte ich so ganz beiläufig, eigentlich fast in mich hinein "Wo wir heute doch gerade beim Thema Kinderfreundlichkeit sind..." "Ja", entgegnete er mir, "aber Kinder hören auch und tun, was man ihnen sagt!". Und mittendrin war ich, in diesem "Feeling-Alibiveranstaltung", das mich immer wieder - fast magisch - anzuziehen schien.

Ach, apropos "Kinderfreundlichkeit"..., da sah man doch glatt eine Horde von mindestens fünf Fotografen auf einen kleinen Jungen zustürzen, der wohl gerade (völlig unverständlicherweise!) eingeschlafen war, um ihn mit Blitzlich zu fotografieren, wovon der natürlich wach wurde. Ansonsten konnte man anfangs fast nur strahlende Kindergesichter sehen: glücklich, jetzt auch mal so tun zu dürfen, als wäre man ein "richtiger Politiker", in die Kamera grinsend, natürlich unter Aufsicht der Lehrer mit solchen Aussagen wie die von Sebastian Kreft (15) auf die Frage einer Journalistin hin, ob Politiker nette Menschen seien: "Ja, auf jeden Fall, sie haben sich sehr viel Mühe gegeben!" Der Junge hatte sich acuh sicherlich über die für jeden "Jungpolitiker" bereitgelegte Mappe gefreut. Darin enthalten war zum Beispiel ein Buch, indem man sich sämtliche Abgeordnetengescihter mal gündlich anschauen durfte.

Unter der Leitung der Präsidentin des Abgeordnetenhauses Fr. Dr. Laurien wurden nun stundenlang Kinder- und Jugendliche aufgerufen, die eine Frage an eine anwesende Person richteten. Diese Person z.B. die entwicklungspolitischen Sprecher der Parteien, stimmten entweder zu ("Ja, ich finde auch, es müßte viel mehr für die 3. Welt getan werden!") oder man redete sich heraus ("Nach meiner Erfahrung, steigen die Leute nicht um, wenn die Preise bei der BVG billiger werden"). Man durfte sich auch die 9jährige Tanja Lakatos anhören: "Ich stelle meine Frage an die CDU: Warum gibt es soviel Ausländerhaß?" Es gab auch Ausnahmen wie z.B. Susanna Müller, die mit ihren neun Jahren ihr Wahlrecht einforderte. Auf die Gegenargumentation eines Politikers hin, der meinte, man dürfe die Kinder nicht überfordern, ging sie nach vorne und sagte, das wäre doch Quatsch: "Man muß doch gar nicht wählen!" Das eigentliche Problem der Jugendlichen sei es, so der CDU-Politiker, daß sie in den Bereichen wie Spielplätze, Freizeitgestaltung oder Schule nicht mitbestimmen dürften, deshalb sei ja auch dieses Parlament einberufen worden. Als daraufhin ein Jugendlicher nach vorne ging und ihn fragte, wie um alles in der Welt er darauf komme, daß Kinder sich nur für Spielplätze interessieren würden, gerade an den von Kindern für dieses Parlament selbstgewählten Themen wie Wirtschaft, Krieg, Menschen- und Kinderrechte, sowie Umwelt und Entwicklung könne man doch erkennen, daß sich Kinder auch für allgemeine Themen interessieren, fiel ihm anscheinend nichts mehr ein.

Die Fragen zu den obengenannten Themen wurden vorher in Prioritäten aufgeteilt. Auch die Reihenfolge der Themen und welche Person wie genau, an wen seine Frage stellt wurde vorher alles ausformuliert und organisiert. So wurde das Thema "Kinderrechte ganz nach hinten gestellt und die Frage von dem 16jährigen Harald Perlinger "Warum haben Kinder keine Menschenrechte?" sollte die allerletzte sein. Aber dazu kam es erst gar nicht mehr. Während man also unendliche Zeiten darüber diskutuerte, ob man mit dem Flugzeug in den Urlaub fahren sollte, ob man nicht Faxgeräte mit Recyclingpapier betreiben sollte usw., wurde fast das ganze letzte Thema "Kinderrechte" (aus Zeitgründen!) gestrichen. Seine Fragen könne man ja im Nachhinein schriftlich stellen, wie der Vorsitz im parlament verkünden ließ.

Alles in allem wird sich für die Situation der Kinder und Jugendlichen auch nach diesem Parlament nichts tun. Auch in Zukunft wird die Bundesrepublik nicht 0,7% ihres Bruttosozialproduktes für Entwicklungshilfe ausgeben. Selbst für die Spielplätze wird in Berlin in näherer Zukunft nicht viel getan werden. Wozu der ganze Rummel? Achja - man kann jetzt natürlich nicht mehr sagen, daß Politiker Kinder und ihre Forderungen ignorieren würden. Denn die Fragen der Anwesenden, wie Hanna Renata Laurien vor der Presse noch groß verkündete, seiden den Politikern so wichtig, daß sie sogar auf Tonband aufgezeichnet würden.

Benjamin Kiesewetter

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