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Ausgabe 14
Editorial | Senat plant Ermordung des Tiergartens | Kurzinformation: Jugendliche machen Radio | Was wir an der Schule falsch finden | 16-jähriger Kurde von deutschem Polizist erschossen | Jugend-Künstler-Klimagipfel 1994 und 1995 in Berlin | Vorsicht M.A.H. - Militante Auto-Hasser | 3. Europäische Kinder- und Jugendwoche | 25 Jahre Grips | "Die Erwachsenen bringen die Kinder um!" | Laserbriefe | Psychospielchen - Eine Methode der Le(e/h)rkörper |
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3. Europäische Kinder- und Jugendwoche
In Barcelona trafen sich Nichterwachsene aus ganz Europa
Eines haben die 180 Teilnehmer der Europäischen Woche der Kinder
& Jugendlichen bestimmt mitgenommen: Neue Freunde, Bekanntschaften
aus anderen Ländern. Und wenn nicht, dann wissen sie wenigstens, wie
Jugendliche aus anderen Ländern über kinderrechtliche Themen
denken, wie sie sich ein besseres System vorstellten, sei es in der Schule,
in der Familie oder in der Freizeit. So war wahrscheinlich auch das Hauptanliegen
dieses Treffens das Kennenlernen, die Kommunikation, die manchmal aufgrund
der verschiedenen Sprachen gar nicht so leicht fiel, und das Austauschen
von Erfahrungen und Forderungen. Natürlich sollte auch bei diesem
Treffen etwas herauskommen, doch war es nicht so wichtig: Kein Presserummel,
keine Großanzahl von Politikern, die die Kinder damit belehrt hätten,
daß Forderungen ihrer Art sowieso unrealistisch seien. Dafür
ein Abgeordneter des Europäischen Parlaments, der sich einige Ergebnisse
der AGs anhörte und sich doch bitteschön für ein Europäisches
Kinderparlament einsetzen solle.
Überhaupt lief bei dieser Veranstaltung alles ganz anders, als
man es von den kindertümelnden deutschen dieser Art (à la "Parlament
der Kinder" oder "Kindergipfel") gewohnt war. Viel freundlicher war die
Atmosphäre, viel flexibler die Organisation. "Sicherlich war hier
noch nicht alles so, wie man es sich wünschen würde", hörte
man den Sprecher nach der ersten großen Diskussion im Halbschlaf
von der Bühne sagen, "wir werden noch viel ändern müssen
in den nächsten Tagen, bitte helft uns dabei und sagt, was wir falsch
machen!" Und am nächsten Tag sah die Sache schon ganz anders aus.
Auch für die Vegetarier, die ansprachen, daß es leider oftmals
nur Fleisch zum Essen gab, wurde eine Lösung gefunden: Für sie
gab es sofort Essen ohne Fleisch. Die Jugendlichen in den Jugendherbergen
waren zufrieden. Es gab die Möglichkeit beliebig lange draußen
zu bleiben, und das Essen schmeckte meistens.
Es war die Gruppe "Tom Balatru Ita" (Tomba la Truita heißt soviel
wie "Dreh' den Fladen um!" "Ändere die Welt!") aus der kleinen Stadt
St. Feliu de Codines bei Barcelona, die dieses Treffen so gut organisierte.
In der Schule-AG trafen Jugendliche aus Deutschland, Polen, Portugal
und Spanien zusammen und diskutierten an drei Tagen zu verschiedenen Punkten
in englisch. Während die Deutschen und die Spanier für die europaweite
Abschaffung aller Schulpflichten für Kinder plädierten, forderten
die Polen für ihr Land auch noch nach den 8 Jahren Schulpflicht die
Highschool-obligation, die Pflicht für die Oberschule. Doch
die Schulpflicht gibt es in den Staaten der Europäischen Gemeinschaft
nur einmalig: in Deutschland. "Die Situation in Portugal ist auch nicht
viel besser", erzählt Pedro, "hier dürfen die Eltern dann eben
bestimmen, ob die Kinder zur Schule gehen." Und dort, wo es keine Schulpflicht
gibt, gibt es meistens eine Bildungspflicht, ein kleiner Vorteil: Autonome
Schulen wie "Summerhill" in England haben Chancen zu überleben, was
in Deutschland für Kinder nach der Grundschule so gut wie unmöglich
wäre. Alle waren sich einig, daß das System irgendwie geändert
werden müsse. Die Schüler und die Lehrer müßten gleichberechtigt
werden und es muß mehr Möglichkeiten geben, seine Fächer
selbst zu wählen.
Am letzten Tag der Veranstaltung, dem Samstag, wurden die Delegationen
in die ca. 25 km Weit entfernte kleine Stadt St. Feliu de Codines gebracht,
wo dann nur noch gefeiert wurde. Jeder Teilnehmer erhielt ein großes
Pappstück, das bemalt wurde. Die Stücke wurden zu einem kunterbunten
Europa zusammengesetzt. Bis vier Uhr morgens war dann Fete angesagt, inklusive
katalanische Volkstänze, und geschlafen (oder auch nicht) wurde dann
in einer Turnhalle. Am darauffolgendem Vormittag hieß es dann "Adios!"
für die meisten. Da wurden Adressen ausgetauscht, obwohl man vielleicht
nicht mal eine gemeinsame Sprache sprach. Für die deutsche K.R.Ä.T.Z.Ä.-Delegation
war es etwas Neues. Man hatte im Allgemeinen mit einer Alibiveranstaltung
gerechnet: Viel Medienrummel, große Überschriften wie "Kinder
an der Macht" & Co., aber nix dahinter, außer Energiesparlampenforderungen.
Aber vielleicht ist das nur eine deutsche Tradition...
Benni Kiesewetter
Jeder Teilnehmer bemalt ein Stück, das dann zu einem riesigen Europa
zusammengesetzt wurde
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